
Dänemark: Trotz Mehrheit nach Parlamentswahlen reicht Ministerpräsidentin Mette Frederiksen Rücktritt ein
Nach einer bis zur letzten Minute spannenden Parlamentswahl steht Dänemark vor komplizierten und langwierigen Koalitionsverhandlungen. Trotz einer Mehrheit für das linksgerichtete Lager um ihre regierenden Sozialdemokraten reichte Ministerpräsidentin Mette Frederiksen am Mittwoch den Rücktritt ihrer Minderheitsregierung bei Königin Margrethe II. ein. Damit machte sie den Weg für die Suche nach einer neuen Regierungskonstellation frei. Es sei deutlich geworden, dass die Regierung in der jetzigen Form nicht fortsetzen könne, sagte sie in Kopenhagen.
Zuvor hatte Deutschlands nördliches Nachbarland am Dienstag eine der dramatischsten Wahlen seiner Geschichte erlebt. Prognosen und Hochrechnungen hatten bis kurz vor Schluss angezeigt, dass weder das rote Mitte-Links-Lager noch das blaue Mitte-Rechts-Bündnis auf eine Mehrheit kommen würde. Die Schlüsselrolle zwischen den Blöcken schien am Wahlabend lange Zeit Ex-Regierungschef Lars Løkke Rasmussen mit seiner neuen Partei Die Moderaten zu haben. Nach Auszählung aller im Land abgegebenen Stimmen kippte das Bild dann in allerletzter Minute nach links: Der rote Block sprang auf 87 Mandate, während der blaue Block auf 72 kam. 16 Sitze entfallen auf Løkkes Moderate, die sich in der politischen Mitte zwischen den Lagern positioniert haben.
Für eine Mehrheit im dänischen Parlament in Kopenhagen sind 90 der 179 Sitze notwendig. 175 dieser Mandate werden in Dänemark vergeben, jeweils zwei in Grönland und auf den Färöer-Inseln, die beide offiziell zum dänischen Königreich zählen. Die färöischen Mandate wurden bereits am Montag unter den beiden Blöcken aufgeteilt. Am frühen Mittwochmorgen gingen dann die beiden grönländischen Mandate - wie schon bei den letzten sechs Wahlen - an den roten Block. Den vorläufigen Zahlen zufolge kommt das linke Lager somit auf die minimale Mehrheit von genau 90 Mandaten.
Damit hat das politische Drama in Dänemark noch lange kein Ende. Experten rechnen damit, dass die Sondierungen Wochen dauern dürften. Erster Schritt nach Frederiksens Rücktritt wird sein, dass sich die Parteichefs in einer sogenannten Königinnenrunde auf einen Sondierungsbeauftragten einigen - es wird damit gerechnet, dass diese Aufgabe wieder Frederiksen zukommt. Sie führt Dänemark seit 2019 mit einer nur aus Sozialdemokraten bestehenden Minderheitsregierung, die im Parlament bislang in erster Linie auf Unterstützung aus dem linksgerichteten Lager setzte. Nun strebt sie eine in ihrem Land seltene breite Regierung über die politische Mitte hinweg an.
Frederiksen habe zwei Möglichkeiten, sagte der Politikwissenschaftler Rune Stubager von der Universität von Aarhus am Mittwoch vor internationalen Journalisten in Kopenhagen. Zum einen könne sie - wie von ihr im Wahlkampf betont - tatsächlich versuchen, eine breite Regierung mit Parteien aus beiden politischen Blöcken zu finden. Zum anderen könne sie aber auch auf die knappe rote Mehrheit setzen.