
Erstmals Proteste ohne gewaltsame Auseinandersetzungen im Iran
Im Iran gingen Aktivisten und Augenzeugen zufolge auch am Dienstag die Proteste gegen die politische Führung des Landes weiter. Auf den Straßen der Hauptstadt Teheran riefen die Demonstranten demnach "Tod dem Diktator" und "Islamische Republik wollen wir nicht (mehr)". Berichte über gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und Demonstranten gab es zunächst nicht.
Im Iran wird seit Mitte September gegen die politische Elite des Landes demonstriert. Für Montag bis Mittwoch dieser Woche hatten Aktivisten zu den sogenannten 14-15-16-Protesten aufgerufen - die Zahlen sind das Datum im persischen Kalendermonat Azar. Im Zuge dieser sollten sich auch Unternehmen den Protesten anschließen. Ziel sei es, die Wirtschaft des Landes lahmzulegen.
Es gab widersprüchliche Angaben dazu, wie stark Wirtschaftstreibende dem Aufruf folgten. Aktivisten zufolge hatten am Montag viele Händler ihre Geschäftstätigkeit eingestellt. Staatliche Medien wiederum berichteten von einem "Normalzustand" auf Märkten und veröffentlichten Bilder von geöffneten Läden. Augenzeugen in Teheran berichteten, es seien "einige Geschäfte geöffnet und einige geschlossen" gewesen.
Im Zusammenhang mit den Protesten wurden Behördenangaben zufolge fünf weitere Demonstranten zum Tode verurteilt. Nach Angaben von Justizsprecher Massud Setajeschi wurde über mindestens fünf Demonstranten wegen des Todes eines Sicherheitsbeamten das Todesurteil verhängt, berichtete die Nachrichtenagentur Isna. Setajeschi sprach in dem Zusammenhang von "Mord". Elf weitere, darunter drei Demonstranten unter 18 Jahren, seien wegen Beteiligung an dem "Mord" zu langjährigen Haftstrafen verurteilt worden. Gleichzeitig seien 1200 Demonstranten freigelassen worden, sagte Setajeschi weiter.
Gegen die Todesurteile könne Berufung eingelegt werden, hieß es weiter. Bei den seit mehr als zwei Monaten anhaltenden Massenprotesten im Iran wurden nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen mindestens 18.000 Menschen festgenommen. Unklar ist, gegen wie viele bereits Anklage erhoben wurde. Meist wird ihnen von den Behörden Teilnahme an illegalen Demonstrationen, Unruhestiftung oder Gefährdung der nationalen Sicherheit vorgeworfen. Im November wurden Demonstranten erstmals auch zum Tode verurteilt. Der Iran gehört zu den Ländern, die die Todesstrafe auch vollstrecken.
Auslöser der Massenproteste war der Tod der iranischen Kurdin Jina Mahsa Amini. Sie starb im Polizeigewahrsam, nachdem sie wegen angeblichen Verstoßes gegen die islamischen Kleidungsvorschriften verhaftet worden war. Nach Einschätzungen von Menschenrechtlern wurden seither mindestens 470 Demonstranten getötet.
dp/pcl