Prigoschin erinnerte einmal mehr an die zahlreichen Niederlagen der russischen Streitkräfte, die sich vor Kiew und in Cherson in die "Hose gemacht" hätten und dann abgehauen seien. Der 61-Jährige meinte auch, dass nicht er die "militärische Spezialoperation" begonnen habe, sondern andere. Putin hatte den Krieg am 24. Februar 2022 angeordnet. Zugleich sagte Prigoschin, dass der nun eben einmal begonnene Kampf auch zu Ende gebracht werden müsse. Erneut äußerte sich Prigoschin auch zu dem vom Kreml genannten Kriegsziel einer "Entmilitarisierung" der Ukraine. Die Ukraine habe heute viel mehr und schwerere Waffen und mehr kämpfendes Personal als vor dem Krieg. Russland habe das Land in Wahrheit "militarisiert". Prigoschin lobte die ukrainische Armee sogar als eine der besten der Welt. "Sie verfügen über ein hohes Maß an Organisation, ein hohes Ausbildungsniveau, ein hohes Maß an geheimdienstlicher Aufklärung, sie haben verschiedene Waffen. Sie arbeiten mit allen Systemen - sowjetischen oder von der Nato - gleichermaßen erfolgreich."
Er sagte, es sei möglich, dass Kiews erwartete Gegenoffensive in den kommenden Wochen angesichts der anhaltenden westlichen Unterstützung die russischen Streitkräfte aus der Süd- und Ostukraine sowie der annektierten Krim verdrängen könnte. "Ein pessimistisches Szenario: Die Ukrainer bekommen Raketen, sie bereiten Truppen vor, natürlich werden sie ihre Offensive fortsetzen und einen Gegenangriff versuchen. Sie werden die Krim angreifen, sie werden versuchen, die Krimbrücke (zum russischen Festland) zu sprengen und unsere Versorgungsleitungen abzuschneiden. Deshalb müssen wir uns auf einen harten Krieg vorbereiten." Dagegen kritisierte er erneut das russische Verteidigungsministerium, das der Wagner-Armee weder ausreichend Munition noch angefordertes Personal bereitstelle. Prigoschin meinte, dass der gesamte Donbass heute schon erobert sein könnte, wenn er die 200.000 angeforderten Soldaten als Verstärkung bekommen hätte. Wagner habe heute 6000 Männer, die eine Kompanie führen könnten. Sie könnten demnach eine Armee von 600.000 Soldaten steuern.
Doch gebe es in der Militärführung Ängste, die Wagner-Truppen könnten sich gegen den russischen Machtapparat wenden und am Ende in Moskau einmarschieren, sagte er. Die eigenen Verluste bei der Schlacht um die Stadt Bachmut im Gebiet Donezk gab der Wagner-Chef nun erstmals mit 20.000 getöteten Soldaten an, davon die Hälfte Rekrutierte aus Gefängnissen. Er sagte, etwa 20 % der 50.000 russischen Gefangenen, die für den Kampf in dem 15-monatigen Krieg rekrutiert wurden, seien in der ostukrainischen Stadt gestorben. Diese Zahl steht in krassem Gegensatz zu den Behauptungen Moskaus, dass das Land in dem Krieg etwas mehr als 6.000 Soldaten verloren habe und liegt über der offiziellen Schätzung der sowjetischen Verluste im Afghanistan-Krieg von 15.000 Soldaten zwischen 1979 und 1989. Die Ukraine hat bisher keine Angaben gemacht, wie viele ihrer Soldaten seit der umfassenden Invasion Russlands im Februar 2022 gestorben sind.
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