
Gianni Infantino: FIFA-Chef prangert "Doppelmoral" an
Der FIFA-Präsident prangerte am Tag vor dem Eröffnungsspiel eine "Doppelmoral" aus westlicher Richtung gegen den WM-Gastgeber Katar an, verteidigte das Emirat gegen praktisch alle Vorwürfe auch unabhängiger Institutionen, pries Fortschritte an - und beendete seine Ansprache flehend. "Lasst uns bitte, bitte, diese WM feiern und hoffen, den Menschen auf der Welt zu einem Lächeln zu verhelfen", sagte Infantino. Dafür, so die Quintessenz, sei der Fußball letztendlich da.
Immer wieder wechselte der Schweizer sein Sprechtempo, baute kleine Pausen ein, einmal nahm er den vor ihm auf dem Podium im großen Saal des Qatar National Convention Centre gestellten Fußball in die Hand. "Das ist die einzige Waffe, die wir haben", sagte er. Seine Botschaften zu den schwierigen Fragen zu Menschenrechten, Arbeitsmigranten, der Freiheit für die LGBTQI+-Community wirkten lange zurechtgelegt. "Die Welt ist gespalten genug, eine WM ist eine WM, das ist kein Krieg", sagte Infantino. "Wir müssen uns kritisch im Spiegel betrachten."
Katar war in den vergangenen Jahren insbesondere aus westlichen Nationen stark kritisiert worden. Für Infantino, der seine eigene Geschichte als Sohn einer Gastarbeiterfamilie in der Schweiz dazu in Zusammenhang setzte, auf eine "heuchlerische" Art und Weise. "Ich denke, was wir Europäer in den vergangenen 3000 Jahren weltweit gemacht haben, da sollten wir uns die nächsten 3000 Jahre entschuldigen, bevor wir anfangen, moralische Ratschläge an andere zu verteilen", sagte der 52-Jährige. Es sei "traurig", diese "Doppelmoral" erleben zu müssen.
Wie noch nie in den vergangenen Monaten stellte sich der FIFA-Präsident an die Seite der Regierung des Landes, in dem er längst einen Nebenwohnsitz unterhält. "Wer kümmert sich um die Arbeiter? Wer? Die FIFA macht das, der Fußball macht das, die WM macht das - und, um gerecht zu sein, Katar macht es auch", sagte er und verwies unter anderem auf ein geplantes Büro der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) in Doha.
"Wie viele dieser westlichen Unternehmen, die hier Milliarden von Katar erhalten - wie viele von ihnen haben über die Rechte von Arbeitsmigranten gesprochen? Keiner von ihnen", sagte Infantino, ohne Beispiele anzuführen. Die auch vom Deutschen Fußball-Bund geforderten Entschädigungsfonds für Arbeiter und deren Familien aus Südasien gebe es bereits, wenn auch in anderer, von Katar initiierter Form. Er sei "überzeugt", dass die WM helfen könne, Menschen "die Augen zu öffnen".