
Präsident Selenskyj nennt den Einsatz von Drohnen aus Teheran Bankrotterklärung des Kremls
Die russische Armee rechnet mit einem massiven ukrainischen Angriff zur Befreiung der besetzten Stadt Cherson. "An diesem Frontabschnitt ist die Lage schwierig", sagte der neue Oberbefehlshaber der russischen Truppen in der Ukraine, Sergej Surowikin, am Dienstagabend im Fernsehen. Es war ein ungewöhnlicher Auftritt des Armeegenerals, der sogar nahezulegen schien, dass Russland einen Rückzug aus der Stadt erwägen könnte. Surowikin sagte, dass "schwierige Entscheidungen" notwendig sein könnten.
Weil die russische Armee die Ukraine auch am Dienstag mit Drohnen iranischer Bauart beschoss, griff der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in seiner abendlichen Ansprache Moskau an: Er nannte den Einsatz der Waffen aus Teheran eine Bankrotterklärung des Kremls. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg sagte in Berlin, mit Luftabwehrwaffen aus dem Ausland werde die Ukraine sich bald gegen die Drohnenangriffe wehren können. Für das überfallene Land ist Mittwoch der 238. Kriegstag seit dem russischen Überfall vom Februar.
"Der russische Hilferuf an den Iran ist die Anerkennung des militärischen und politischen Bankrotts durch den Kreml", sagte Selenskyj in Kiew. Russland habe jahrzehntelang Milliarden Dollar in seinen militärisch-industriellen Komplex gesteckt, doch nun müsse es auf "ziemlich einfache Drohnen und Raketen" aus Teheran setzen. Der Beschuss der Ukraine mit ganzen Schwärmen dieser Drohnen mache den Russen vielleicht taktisch Hoffnung.
"Strategisch wird es ihnen ohnehin nicht helfen", sagte Selenskyj. Die russische Armee hat in den vergangenen Tagen verstärkt Drohnen iranischer Bauart vom Typ Schahed-136 auf die Energieversorgung der Ukraine, aber auch auf Städte abgeschossen. Dabei bestreiten sowohl Moskau wie Teheran ein Rüstungsgeschäft mit den Drohnen.
Einem Bericht der "New York Times" zufolge schickte der Iran Ausbilder auf die von Russland annektierte Schwarzmeer-Halbinsel Krim, um Russen bei der Bedienung iranischer Drohnen zu schulen. Das berichtete die Zeitung am Dienstag unter Berufung auf aktuelle und ehemalige Beamte, die mit Geheimdienstinformationen vertraut sind. Die iranischen Ausbilder sollten den Russen helfen, Probleme mit der aus Teheran erworbenen Drohnenflotte zu bewältigen. Dies sei ein weiteres Zeichen für die wachsende Nähe zwischen Iran und Russland seit dem Einmarsch Moskaus vor acht Monaten.
Zur Abwehr der Drohnen sagte die Nato der Ukraine Geräte zu, die deren Elektronik stören - sogenannte Jammer. Nato-Generalsekretär erinnerte bei einer Sicherheitskonferenz in Berlin am Dienstag auch an andere Luftabwehrwaffen aus vielen Ländern für die Ukraine. "Ich denke, dass die Systeme, die wir liefern, einen großen Unterschied machen", sagte er. "Die Ukrainer sind in der Lage, viele anfliegende Raketen und Drohnen abzuschießen." Und die Ausrüstung der Ukraine werde sich in Zukunft noch verbessern.
Der Fernsehauftritt Surowikins war der erste dieser Art in fast acht Monaten Krieg, und der General zeichnete ein düsteres Bild der Lage in und um Cherson in der Südukraine. Die Ukraine beschieße Wohnhäuser und die Infrastruktur der Stadt. Durch Artillerietreffer habe die Ukraine die Übergänge über den Fluss Dnipro unpassierbar gemacht. Das erschwere die Versorgung der Stadt.