
Premier Boris Johnson 2.0: Ein Schenkelklopfer an jeder Ecke als letzter Ausweg der Tories
Glaubt man seinem Vater, sitzt Boris Johnson über den Wolken in einem kurzfristig gebuchten Flieger aus der Karibik, als im politischen Herzen Londons nach dem Rücktritt der britischen Premierministerin Liz Truss sein Name schon wieder in aller Munde ist. Obwohl der berüchtigte Ex-Premier selbst noch kein einziges Wort in eine Kamera gesagt hat, hat sich in seiner Partei in Westminster am Freitag bereits ein nicht zu unterschätzendes "Bring-Back-Boris"-Lager entwickelt. Ihnen gegenüber stehen entsetzte Gegner dieser Idee, für die ein Comeback des Skandalpolitikers laut Berichten dem "Ende der konservativen Partei" gleichkäme.
Johnsons Nachfolgerin Truss hatte am Donnerstag nach sechs beispiellos chaotischen Wochen im Amt ihren Rücktritt angekündigt und schickt sich damit an, die britische Premierministerin mit der kürzesten Amtszeit aller Zeiten zu werden. Ihr radikales Steuersenkungsprogramm hatte mangels solider Gegenfinanzierung die Finanzmärkte ins Chaos gestürzt. Als dann auch noch ihr Kabinett zusammenbrach und sich bei einer Abstimmung im Unterhaus tumultartige Szenen abspielten, war ihr Schicksal besiegelt.
Nicht einmal zwei Monate nach der Kür von Truss stehen die regierenden Tories also erneut vor der Frage: Wer führt uns als nächstes an? Als aussichtsreiche Kandidaten gelten der frühere Finanzminister Rishi Sunak sowie Penny Mordaunt, die Ministerin für Parlamentsfragen, die als erste ihre Kandidatur für die Nachfolge der scheidenden Premierministerin Liz Truss angekündigt. "Ich bin ermutigt worden von der Unterstützung durch Kollegen, die einen Neustart, eine geeinte Partei und eine Führung im nationalen Interesse wollen", teilte die konservative Politikerin am Freitag auf Twitter mit. Als Parteichefin und Premierministerin wolle sie das Land einen, die Wahlversprechen der Tories umsetzen und die nächste Parlamentswahl gewinnen, so die 49 Jahre alte Mordaunt weiter.
Mordaunt, die sich bereits nach dem Rücktritt von Truss' Vorgänger Boris Johnson im Sommer um das Amt der Regierungschefin beworben hatte, lag am Freitag nach Zählung britischer Medien bei der Zahl ihrer Unterstützer auf Platz drei hinter Ex-Finanzminister Rishi Sunak und Ex-Premier Johnson. Bis dahin hatte aber noch keiner der drei die notwendige Unterstützerschwelle erreicht.
Die Hürden für eine erfolgreiche Kandidatur sind hoch: Um ins Rennen zu gehen, brauchen Kandidaten den Rückhalt von mindestens 100 Abgeordneten. Bis Montagnachmittag können Nominierungen eingehen. Nehmen mehr als zwei Kandidaten diese Hürde, soll bei Abstimmungen in der Fraktion danach ausgesiebt werden. Gibt es danach noch zwei Finalisten, kann die Parteibasis im Laufe der Woche in einem Online-Votum abstimmen. Die Entscheidung könnte auch schon früher fallen, falls sich einer der beiden Finalisten freiwillig zurückzieht. Spätestens am Freitag nächster Woche soll ein neuer Regierungschef oder eine -chefin gewählt sein.
Die Opposition fordert lautstark eine sofortige Neuwahl - doch die regierende Tory-Partei sitzt am längeren Hebel und kann den Zeitpunkt für die nächste Wahl - bis spätestens Anfang 2025 - relativ frei festlegen. Glaubt man aktuellen Umfragen, droht den Tories bei einer Neuwahl ein niederschmetterndes Ergebnis. In einer am Donnerstag durchgeführten Befragung des Marktforschungsinstituts PeoplePolling wollten nur noch 14 Prozent der Briten die Tories wählen, damit lag die Partei fast 40 Prozentpunkte hinter Labour.