
Steuerreform der britischen Premierministerin Truss spaltet die politischen Lager
Die Steuerreform der britischen Premierministerin Liz Truss vertieft die Gräben zwischen den politischen Lagern in Großbritannien. Die konservative Regierung sowie Experten und Medien am rechten Rand feierten die Ankündigungen von Finanzminister Kwasi Kwarteng überschwänglich, die Opposition und liberale Kommentatoren hingegen warnten vor einem wirtschaftlichen Zusammenbruch des Landes. Die Reform werde lediglich den Wohlhabenderen zugutekommen, während selbst Menschen aus der Mittelschicht mittelfristig höhere Ausgaben hätten, kritisierten Thinktanks wie Resolution Foundation.
Skeptisch gesehen wird vor allem die enorme zusätzliche Verschuldung, mit der die Regierung ihre Vorhaben im Wert von Dutzenden Milliarden Pfund finanzieren will. Kwarteng "verwettet das Haus", indem er die Staatsverschuldung auf einen "nicht nachhaltigen, steigenden Pfad" bringe, betonte die Denkfabrik Institute of Fiscal Studies (IFS). Resolution Foundation betonte, das Vorhaben werde über die nächsten fünf Jahre zusätzliche Kredite von 460 Mrd Euro erfordern. "Die Casinowirtschaft der Tories setzt die Hypotheken und Finanzen jeder Familie im Land aufs Spiel", twitterte Oppositionschef Keir Starmer.
Finanzminister Kwarteng hingegen verteidigte seine Pläne, die auch vorsehen, eine Erhöhung der Sozialversicherungsbeiträge zurückzudrehen sowie den Freibetrag bei der Grunderwerbsteuer vor allem für Erstkäufer deutlich zu erhöhen. Damit werde das Wirtschaftswachstum angekurbelt, es entstünden mehr und besser bezahlte Jobs, sagte der Schatzkanzler am Sonntag der BBC. Zudem stehe mehr Geld für öffentliche Dienstleistungen zur Verfügung.
"Die Kühnheit und der Mut von Kwasi Kwartengs erstem Budget sind wie ein Erdbeben", lobte die Zeitung "Daily Mail". Endlich kehre die Konservative Partei in der Finanzpolitik zurück zu ihren Wurzeln mit niedrigen Steuern. "Mit einem Schritt wurden Großbritanniens Wettbewerbsfähigkeit, seine Anlegerfreundlichkeit und seine Attraktivität für Top-Talente enorm verstärkt", schrieb die Zeitung "Telegraph". Von einem "Boost-up Budget" sprach Mark Littlewood, Chef der konservativen Denkfabrik Institute for Economic Affairs.
Die Finanzmärkte scheinen davon aber bisher nicht überzeugt zu sein. Die Börsen gaben nach der Ankündigung am Freitag deutlich nach. Das Pfund sank erstmals seit langem unter 1,10 US-Dollar, und erste Analysten rechnen bereits damit, dass es zur Parität kommen könnte. Bereits am Donnerstag hatte die Zentralbank im Kampf gegen die hohe Inflation den Leitzins deutlich auf 2,25 Prozent erhöht, damit werden Kredite und Hypotheken teurer. Die Notenbank geht davon aus, dass sich die britische Wirtschaft bereits in einer Rezession befindet.
"Es besteht ein echtes Risiko, dass internationale Investoren das Vertrauen in die britische Regierung verlieren", sagte Mark Dowding vom Vermögensverwalter BlueBay Asset Management der Zeitung "Financial Times". Der Markt frage sich, wie Kwarteng die enormen Kosten finanzieren wolle. Der US-Starökonom Nouriel Roubini sieht das Land bereits auf Kurs für eine Rettungsaktion des Internationalen Währungsfonds (IWF). "Großbritannien verhält sich ein bisschen wie ein aufstrebender Markt, der sich in einen untergehenden Markt verwandelt", sagte der frühere US-Finanzminister Larry Summers.