
Es sind die wichtigsten Wahlen einer Generation - mit dieser Formel beschwören US-Politiker zwar immer ihr Volk, aber dieses Mal deutet vieles darauf hin, dass es stimmt. Die Stimmung in den Vereinigten Staaten ist aufgeheizt, das Interesse an den "Midterms" genannten Zwischenwahlen ungewöhnlich groß.
Die bedeutendsten Entscheidungen fallen zu den beiden Kammern des US-Kongresses. Die Wählerinnen und Wähler entscheiden über 35 der 100 Sitze im Senat und über alle 435 Abgeordneten im Repräsentantenhaus. Jeder der 50 US-Bundesstaaten stellt zwei US-Senatoren. Ihre Amtszeit dauert sechs Jahre - alle zwei Jahre wird rund ein Drittel von ihnen neu gewählt. Das Repräsentantenhaus wird dagegen alle zwei Jahre komplett neu bestimmt. Hier stellen die Bundesstaaten Abgeordnete gemäß ihrer Bevölkerungszahl.
Darüber hinaus gibt es Tausende weitere Abstimmungen. In 36 Staaten werden neue Gouverneure bestimmt. Es ist das mächtigste Amt in einem Bundesstaat, vergleichbar mit einem Ministerpräsidenten in Deutschland. In vielen Staaten werden zudem die eigenen Kongresse und einige andere Posten neu bestimmt - bis hinunter zur Sheriffs und Schulbeiräten, die vor Ort auch jeweils großen Einfluss auf Strafverfolgung oder Unterrichtsstoff haben können.
Zur Wahl stehen auch viele Secretaries of State, zu deren Aufgabe oft die Wahlleitung gehört. Einige Republikaner, die dabei zur Wahl stehen, vertreten die unbelegte Ansicht, dass Donald Trump die Präsidentschaftswahl 2020 gewonnen habe. Manche von ihnen wollen Gesetze etablieren, mit denen sich Wahlleitungen über die Auszählungsergebnisse hinwegsetzen könnten. Viele Demokraten fürchten deshalb bei den "Midterms" auch ein Aushöhlen der freien Wahlen.
Im Rennen um einen Sitz im US-Senat, der über die Kontrolle der Parlamentskammer entscheiden könnte, gerät der republikanische Kandidat Herschel Walker weiter in Bedrängnis. Gestern trat eine zweite Frau an die Öffentlichkeit, der zufolge der ehemalige Football-Spieler sie zu einer Abtreibung gedrängt habe. Walker tritt als kategorischer Abtreibungsgegner an und die Enthüllungen könnten seine Glaubwürdigkeit untergraben. Walker wies die Angaben der Frau bei einem Wahlkampfauftritt zurück, wie der TV-Sender NBC berichtete.
Vor einigen Wochen hatte bereits eine andere Frau unter anderem der Website "The Daily Beast" und der «Washington Post» gesagt, Walker habe ihr Geld für eine Abtreibung gegeben. Walker bestreitet auch dies. Beide Frauen wollten anonym bleiben, um sich und ihre Familien zu schützen. Die zweite Frau wurde ihren Angaben zufolge 1993 von Walker schwanger.
In Georgia dürfen Einwohner bereits seit Montag vergangener Woche abstimmen, während der eigentliche Wahltermin am 8. November ist. Inzwischen wurden rund eine Million Stimmen abgegeben, wie der für Wahlen zuständige Staatssekretär Brad Raffensperger gestern mitteilte. Der überraschende Gewinn beider Sitze aus Georgia hatte den Demokraten von Präsident Joe Biden 2020 nach sechsjähriger Pause die Kontrolle über den Senat gebracht.
Normalerweise werden Senatoren in den USA für sechs Jahre gewählt. Für einen der Sitze stellt sich nun aber Amtsinhaber Raphael Warnock wieder zur Wahl, weil es vor zwei Jahren nur um den Abschluss der Amtszeit eines zurückgetretenen republikanischen Vorgängers ging. Walker fordert ihn für die Republikaner heraus. Nach jüngsten Umfragen liegt der Demokrat Warnock leicht vorn.
Bei der diesjährigen Senatswahl zählt für beide Parteien jeder Sitz: Beide Lager haben im Senat aktuell jeweils 50 Senatoren. In Patt-Situationen gibt die Stimme von Vizepräsidentin Kamala Harris für die Demokraten den Ausschlag.
In der aktuellen Wahlrunde stehen 14 von Demokraten und 21 von Republikanern gehaltene Sitze zur Abstimmung. Im Großteil der Rennen scheint allerdings sicher, dass sich die Parteizugehörigkeit der Sitze nicht ändern wird.
Der US-Kongress hat im Jahr 1845 ein Gesetz beschlossen, wonach die Wahlen immer am Dienstag nach dem ersten Montag im November abgehalten werden sollen. In den stark landwirtschaftlich und religiös geprägten Vereinigten Staaten des 19. Jahrhunderts fiel die Wahl auf diesen Tag, weil damit zweierlei sichergestellt werden konnte: Einerseits waren Aussaat und Ernte bereits vorüber, während der harsche Winter noch nicht begonnen hatte, andererseits musste niemand an einem Gottesdienst-Sonntag die lange Reise hin zu einem Wahllokal antreten. Heutzutage gibt es häufig Kritik daran, dass der Wahltag kein Feiertag ist. Gerade Demokraten glauben, dass dadurch viele ihrer Anhänger die oft langen Schlangen am Wahllokal nicht in Kauf nehmen wollen.
In den Vereinigten Staaten kann nicht jeder ab einem bestimmten Alter zur Abstimmung gehen. Stattdessen müssen sich Wahlwillige in ein Verzeichnis eintragen lassen und dabei auch angeben, ob sie als "Demokrat", "Republikaner" oder "Unabhängig" geführt werden wollen. 2020 waren laut Zensus rund 252 Millionen Amerikaner über 18 Jahren grundsätzlich wahlberechtigt, etwa 155 Millionen gaben eine Stimme ab - diese rund 67 Prozent waren für die USA ein sehr hoher Wert.