
Ukraine-Krieg: Großbritanniens Premierminister Sunak warnt vor schnellem Waffenstillstand
Die russische Söldnergruppe Wagner nutzt in der Ukraine nach Einschätzung britischer Geheimdienste Rekruten als Kanonenfutter. Manche rekrutierte Soldaten erhielten ein Smartphone oder Tablet, das ihnen mithilfe von Satellitenbildern ihre vorgegebene Angriffsroute und ihr Ziel zeige, teilte das Verteidigungsministerium in London am Montag mit. Für diesen Vormarsch erhielten sie Feuerschutz, aber selten gepanzerte Fahrzeuge.
"Wagner-Mitgliedern, die ohne Genehmigung von ihren Angriffsrouten abweichen, droht wahrscheinlich eine standrechtliche Hinrichtung." Die Kommandeure würden von geschützten Stellungen aus über Drohnenbilder informiert. "Diese brutalen Taktiken zielen darauf ab, Wagners seltene Reserven an erfahrenen Kommandanten und gepanzerten Fahrzeugen auf Kosten der leichter verfügbaren Sträflingsrekruten zu erhalten, die die Organisation als entbehrlich einschätzt", betonte das britische Ministerium.
Wagner rekrutiert neue Kämpfer auch in Gefängnissen. Die Söldnergruppe spiele bei den Kämpfen um die Stadt Bachmut in der Ostukraine weiter eine zentrale Rolle, hieß es weiter.
Die ukrainische Führung geht davon aus, dass die russischen Bestände an Raketen nur noch für wenige massive Angriffe reichen. "Wenn man Großangriffe zählt, dann bleiben ihnen maximal zwei bis drei, vielleicht können sie [Raketen für] vier zusammenkratzen", sagte der Sekretär des Nationalen Sicherheitsrats, Olexij Danilow, in einem am Montag bei der Onlinezeitung "Ukrajinska Prawda" erschienenen Interview. Dann hätte Russland jedoch keine Reserven mehr.
Danilow war dabei bereits vor knapp einem Monat von russischen Kapazitäten für maximal drei bis vier massive Raketenattacken auf die Ukraine ausgegangen. Seitdem hat Moskau bereits drei Großangriffe mit jeweils mindestens 70 Raketen durchgeführt. Laut ukrainischen Schätzungen kann Moskau trotz westlicher Sanktionen monatlich rund 70 Raketen und Marschflugkörper produzieren.
Russland ist vor knapp zehn Monaten in die Ukraine einmarschiert. Nach militärischen Rückschlägen hat Moskau im Oktober begonnen, die ukrainische Infrastruktur zur Energieversorgung mit Raketen anzugreifen.
Großbritanniens Premierminister Rishi Sunak hat unterdessen vor zu raschen Verhandlungen über einen Waffenstillstand in Russlands Krieg gegen die Ukraine gewarnt. "Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass jede einseitige Forderung Russlands nach einem Waffenstillstand im aktuellen Kontext völlig bedeutungslos ist. Ich denke, es wäre ein falscher Aufruf, es würde von Russland benutzt werden, um sich neu zu formieren, um seine Truppen zu verstärken", sagte Sunak am Montag bei einem Treffen mit Staats- und Regierungschefs der Joint Expeditionary Force (JEF) in Riga. Bevor Russland sich nicht zurückgezogen habe, könne und solle es keine echten Verhandlungen geben.
Sunak rief bei dem Gipfel der Verteidigungskooperation baltischer und nordeuropäischer Staaten zu weiteren Waffenlieferungen an Kiew auf. Die Ukraine benötige Luftverteidigungssysteme, Artillerie und gepanzerte Fahrzeuge, sagte der britische Premier. Dafür warb auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj, der sich per Video an die Teilnehmer wandte und jeden einzeln davon mit konkreten Forderungen ansprach.
Großbritannien hatte vor Sunaks Reise nach Lettland angekündigt, der Ukraine auch im kommenden Jahr weitere Rüstungsgüter zu liefern. Der britische Premier betonte - wie auch Gastgeber Krisjanis Karins - bei dem JEF-Treffen die Bedeutung von westlichen Sanktionen gegen Moskau und dessen Unterstützer. "Wir müssen uns weiterhin darauf konzentrieren, Russlands Fähigkeit zur Umgruppierung und Nachschubversorgung zu beeinträchtigen", sagte Sunak. "Ich denke insbesondere an den Iran und die Waffen, die er derzeit an Russland liefert."
Selenskyj verwies darauf, dass die Ukraine vergangene Nacht erneut mit iranischen Drohnen vom Typ Shahed angegriffen worden sei. Diese stammten aus einer neuen Lieferung, die Russland von Teheran erhalten haben, sagte der ukrainische Präsident laut offizieller Übersetzung.
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