
Entscheidend ist dabei nicht zwangsläufig das Smartphonemodell an sich, ob es neu oder gebraucht, teuer oder billig ist, oder welche Marke drauf steht. Entscheidend ist vor allem das Betriebssystem und der Messenger, den es mit sich bringt. Kurzum: Wer ein iPhone hat, hat Glück. Wer ein Android-Gerät besitzt, hat ein Problem. Zumindest bis jetzt.
Der Tech-Riese Apple hat gegenüber "9to5Mac" überraschend eine wegweisende Änderung angekündigt. Künftig will der Konzern den Messaging-Standard RCS zu unterstützen, den Nachfolger der SMS. Das klingt erst mal kryptisch und technisch und nicht sonderlich aufregend. Auf den Alltag vieler Menschen in den USA dürfte das aber enorme Auswirkungen haben.
Konkret bedeutet die Entscheidung folgendes: Wer die Standard-Nachrichten-App eines iPhones nutzt (und das tun in Nordamerika erstaunlich viele) kann darüber künftig auch mit Android-Nutzerinnen und Nutzern angemessen kommunizieren. Bislang war das nur sehr eingeschränkt möglich: Schreibt man einem Android-Nutzer oder einer -Nutzerin eine Nachricht, dann verwandelt sich die sonst blau dargestellte iMessage in eine grün dargestellte SMS – eine Technologie, die bereits mehr als 30 Jahre auf dem Buckel hat.
Von zahlreichen Funktionen, die die iPhone-Nachrichten-App sonst mit sich bringt, waren Android-Nutzende jahrelang konsequent abgeschnitten. Die Funktion der Gruppenchats ist stark eingeschränkt, Userinnen und User erhalten keine Empfangsbestätigungen oder Standorte, können keine Audionachrichten senden oder Nachrichten mit Emojis markieren. Bilder und Videos kommen stets enorm verpixelt und als MMS beim Gegenüber an. Und auch die kleine Blase mit den drei Pünktchen, die signalisiert, dass jemand tippt, wird nicht angezeigt.
Mit RCS soll sich das ändern: Im Gegensatz zur SMS bietet die RCS-Nachricht alle gängigen Chatfunktionen, darunter bessere Gruppenchats und Lesebestätigungen. Auch der Austausch von Bildern, Videos und Audiodateien wird einfacher – verpixelte MMS gehören dann der Vergangenheit an.
Android-Nutzerinnen und -Nutzer dürften angesichts dieser Nachricht Freudensprünge machen. Der Umstand des Zweiklassensystems beim Messaging hatte sich in den USA zuletzt zu einem bizarren Kulturphänomen entwickelt. Vom "Blue Bubble, Green Bubble"-Kampf schreiben US-Medien seit einigen Jahren. Das "Wall Street Journal" befragte im vergangenen Jahr für einen Artikel junge Menschen, die gar um Ausgrenzung fürchten, weil sie ein Android-Gerät besitzen und nur im Stande sind, grüne Textnachrichten zu versenden statt blaue.
Der gesellschaftliche Druck sei hoch, manch einer würde nach einer Abkehr vom iPhone gar "geächtet", ergab die Umfrage der Zeitung unter Jugendlichen. Apple habe effektiv ein soziales Netzwerk mit Funktionen geschaffen, um Benutzerinnen und Benutzer an sich zu binden – und andere gleichzeitig ausschließt, bemängelt eine Studentin gegenüber der Zeitung. Sie berichtet von einem "gewissen Druck", das vermeintlich richtige Kommunikationsgerät zu kaufen.
Eine Frau erzählt, sie habe schon "Leute mit Android-Smartphones erlebt, die sich dafür entschuldigten, dass sie Androids haben, aber kein iMessage". Sie könne sich nicht erklären, ob es sich bei all dem um aggressives Apple-Marketing handele, oder um das sozialpsychologische Phänomen der Gruppenzugehörigkeit. "Die Leute scheinen auf grüne Textblasen eine tiefgreifende negative Reaktion zu haben". Sogar bis ins Datingleben schwappt die Wahl des vermeintlich richtigen oder falschen Smartphones, die der blauen und der grünen Blasen. Eine Studentin berichtet der Zeitung, ihre Freunde hätten sie einmal verspottet, weil sie mit potenziellen Liebhabern gechattet habe: "Oh mein Gott, seine Nachrichten sind grün", sollen sie gesagt haben. Eine meinte sogar: "Oh, das ist ekelhaft."
Auch Apple selbst klinkte sich ironisch in die Debatte ein. 2014 spottete Software-Chef Craig Federighi auf der Entwicklerkonferenz des Unternehmens über Android-Nutzerinnen und -Nutzer und nannte sie "Freunde der grünen Blase". Der Journalist LiQuan Hunt des Magazins "Vox" interviewte einmal Apple-Chef Tim Cook und warf ihm vor, seine Mutter könne Videos, die er ihr schicke, nicht sehen. Schuld sei die Interoperabilität zwischen Apple- und Android-Geräten. Cook antwortete plump: "Kauf deiner Mutter ein iPhone."
Konversationen wie diese sind inzwischen zu einem Meme in den sozialen Netzwerken geworden: Auf Teenie-Plattformen wie Tiktok machen sich Nutzerinnen und Nutzer einen Spaß daraus, Menschen mit grünen Textblasen zu verspotten. Eine "Red Flag" sei das – also als Warnzeichen, das man jemanden nicht daten sollte. Sogar Merchandise zum Thema gibt es: T-Shirts mit der Aufschrift "Never Date a Green Texter" ("Date niemals einen grünen Texter") verkaufen sich wie warme Bagel.
US-Medien schreiben große Essays darüber, was die Kluft zwischen iPhone- und Android-Nutzenden psychologisch mit der Gesellschaft macht. Das "Laptopmag" analysiert, unser Gehirn kategorisiere instinktiv alles, womit wir in unserem täglichen Leben in Kontakt kommen, als Überlebensinstrument. Indikatoren, einschließlich Farben, dienten dazu festzustellen, wer zu unserer "Eigengruppe" gehört – und wer in die Fremdgruppe verbannt wird. Das Magazin verweist auch auf die Bedeutung von Farben: Blau strahle Ruhe, Friedlichkeit, Ehrlichkeit und Kommunikation aus – die Farbe der grünen Textblasen hingegen negative Emotionen wie Besitzgier, Eifersucht und Neid.
Wer aus Europa auf diese Debatte blickt, der dürfte spätestens nach diesen Zeilen kopfschüttelnd vor seinem i- oder Android-Phone sitzen. Auch hierzulande gelten Geräte von Apple zwar durchaus als Statussymbol, sind häufig deutlich teurer als die Android-Konkurrenz. Kommunikationsprobleme mit Android-Fans gibt es aber keine: Der vorherrschende Messenger in Deutschland ist Whatsapp vom Meta-Konzern, der mit allen gängigen Geräten kompatibel ist. Der Marktanteil beträgt hierzulande (je nach Befragung) mehr als 80 oder 90 Prozent – in anderen Ländern Europas sieht es ähnlich aus.
Ganz anders ist die Entwicklung in den USA: Rund 80 Millionen Menschen nutzen dort Whatsapp regelmäßig. Das ist in Anbetracht einer Einwohnerzahl von fast 330 Millionen Menschen ein fast verschwindend geringer Anteil von gerade einmal 24 Prozent.
Unterschiede gibt es auch bei der Nutzung von Smartphone-Marken. In Europa ist das iPhone deutlich weniger verbreitet als Android-Smartphones: In Deutschland etwa besitzen 31,8 Prozent ein Apple-Gerät und 68 Prozent ein Android-Gerät. Der Marktanteil von Apples iMessage spielt damit eine untergeordnete Rolle. Ein ganz anderes Bild zeigt sich in den USA: Dort nutzen – je nach Erhebung – etwa 53 Prozent ein iPhone der Firma Apple. Nur etwa 46 Prozent der US-Amerikanerinnen und -Amerikaner greifen zu einem Android-Gerät.
Kurzum: US-Amerikaner lieben ihr iPhone, und sie lieben ihre Standard-Nachrichtenapp. Warum das so ist, darüber lässt sich viel spekulieren. In Europa wurde Whatsapp Anfang der 2010er-Jahre als kostenloser SMS-Ersatz populär. Das Magazin "Lifewire" vermutet, dass bei Nutzerinnen und Nutzer in den USA ein solcher Bedarf schlicht nie bestand. Schon früh habe es in den USA günstige Mobilfunktarife mit unbegrenzten SMS gegeben – in Deutschland etwa war so etwas lange Zeit nur teuren All-Inclusive-Tarifen vorbehalten. Die US-Amerikanerinnen und -Amerikaner gewöhnten sich schlicht daran, so viele SMS zu schreiben wie sie wollten.
Als dann das Smartphone kam, änderte sich das Nutzungsverhalten kaum. Nutzerinnen und Nutzer griffen weiter zur Standard-Nachrichtenapp ihres iPhones, da Whatsapp in den Anfangsjahren nur wenig weitere Vorteile brachte. Als Apple 2011, zwei Jahre nach Whatsapp, dann die blauen iMessages einführte, blieben sie schlichtweg bei ihrer Standard-Nachrichtenapp. Seither existiert auch die Kluft zwischen iPhone- und Android-Nutzenden – und die Darstellung der blauen und grünen Blasen.
Nun allerdings könnte sich der Konflikt endlich entschärfen – zumindest ein wenig. RCS, den Nachfolgestandard der SMS, will Apple im Laufe des kommenden Jahres auf seinen Geräten einführen, wie der Konzern gegenüber "9to5Mac" ankündigte. Zuletzt hatte sich Apple-Chef Tim Cook stets skeptisch gegenüber der Technologie gezeigt. Ganz freiwillig dürfte sich der Tech-Riese nicht zu diesem Schritt entschieden haben. Konkurrent Google hatte zuletzt immer wieder gegen die Geschäftsinteressen des Konzerns interveniert.
Einmal warf der Android-Twitter-Account dem Unternehmen gar "Mobbing" vor: "Das Texting sollte uns zusammenbringen, und die Lösung existiert", schrieb Google damals. Später wandten sich Google und mehrere Netzbetreiber auch an die Regulierer der Europäischen Union, um die beharrliche Exklusivität des Konzerns zu beenden.
Die EU plant tatsächlich schon länger, Alleingänge wie die von Apple zu unterbinden. Der neue Digital Markets Act (DMA) sieht unter anderem vor, dass Anbieter der größten Messenger Wege finden müssen, ihre Apps interoperabel zu machen – RCS kann so eine Möglichkeit sein. Apple reagierte auf die Forderungen bislang mit einer Ausrede: Der Dienst iMessage sei in der EU schlichtweg zu klein, um von den DMA-Regelungen betroffen zu sein. Google beharrt allerdings darauf, den Dienst als "zentralen Plattformdienst" einstufen zu lassen.

Post- und Büroanschrift Malta - die klevere Alternative
Einschränkungen im Apple-Ökosystem gibt es – neben dem Messenger – auch an anderer Stelle. Der Videochatservice Facetime war lange Zeit nur Apple-Nutzerinnen und -Nutzern vorbehalten – erst mit der Corona-Pandemie hat der Konzern den Zugang für Android-Nutzende zumindest leicht geöffnet. Funktionen wie "Airdrop", also das schnelle Übertragen von Dateien auf ein anderes Apple-Gerät, funktioniert ebenfalls nicht mit Geräten außerhalb des Konzerns.
Beim Messaging lockert der Tech-Riese nun seine Regeln – das Statussymbol seiner iMessage will sich der Konzern aber offenbar trotzdem nicht ganz nehmen lassen. Das Technologieblog "9to5Mac" schrieb unter Berufung auf Apple, dass RCS-Nachrichten auf iPhones weiterhin als grüne Sprechblasen und nicht als blaue auftauchen sollen. Die optische Differenz bleibt damit also – und somit auch das Zweiklassensystem.