Der ukrainischen Flugabwehr sei es gelungen, einen der größten russischen Drohnenangriffe seit Kriegsbeginn fast völlig abzuwehren, sagte Selenskyj. Russland habe so versucht, den Kiewern den Stadtgeburtstag zu verderben. Doch Kiew habe in seiner Geschichte schon verschiedenste Gräueltaten überlebt und werde auch die Angriffe der Russen überstehen und diesen die Eroberung nicht ermöglichen, sagte der 45-Jährige. Seinen Worten nach können Waffen wie die Shahed-Drohnen Russlands Machthaber nicht retten. Weil Russland das Leben und die Kultur verachte, könne es den Krieg nur verlieren, prognostizierte er.
In der Nacht zuvor hatte Russland einen der schwersten Drohnenangriffe seit Monaten gegen die Ukraine gestartet. Insgesamt sei eine Rekordzahl von 54 Kamikaze-Drohnen registriert worden, teilte der Pressedienst der ukrainischen Luftwaffe gestern Morgen auf Telegram mit. Obwohl nach Angaben der Behörden 52 der unbemannten Fluggeräte abgeschossen werden konnten, gab es einen Toten und eine Verletzte zu beklagen. Die Attacke galt demnach hauptsächlich der Hauptstadt Kiew, getroffen wurden aber auch mehrere Wohnhäuser in der Großstadt Schytomyr.
Kiew wurde dann erneut von heftigen russischen Luftangriffen erschüttert - und das am helllichten Tag. Die meisten Luftangriffe passierten bislang meist nachts oder in den frühen Morgenstunden. Laut Militärverwaltung war am Montagmittag die Luftabwehr aktiv. Am Himmel im Stadtzentrum war demnach zu sehen, wie zahlreiche Raketen der Flugabwehr aufstiegen, um Flugobjekte unschädlich zu machen. Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko sprach auf Telegram von Explosionen in zentralen Stadtteilen. Er veröffentlichte auch ein Foto von brennenden Raketenteilen, die im Bezirk Obolon mitten auf eine Straße fielen. Auch aus anderen Vierteln wurden herabstürzende Objekte gemeldet. Rettungskräfte seien im Einsatz. Über mögliche Opfer war zunächst nichts bekannt.
Die Behörden riefen die Menschen auf, Schutz zu suchen. In Kiew waren zuvor bei frühsommerlichen Wetter und strahlendem Sonnenschein viele Menschen auf den Straßen gewesen. Vielerorts liefen in der Hauptstadt, die am Sonntag ihren Stadtgeburtstag gefeiert hatte, auch Straßenbauarbeiten. Noch nie hat es in Kiew innerhalb eines Monats so viele Drohnen- und Raketenangriffe gegeben wie in diesem Mai. Ungewöhnlich am Montag war, dass Russland nach nächtlichen Attacken bereits am Vormittag neue Luftangriffe durchführte.
Der Chef des ukrainischen Militärgeheimdienstes hat vor einer raschen Reaktion auf eine Reihe russischer Raketenangriffe auf Kiew gewarnt. General Kyrylo Budanov sagte, die Angriffe vom Montag hätten es nicht geschafft, die Menschen in der Hauptstadt einzuschüchtern, die gerade ihr Leben weitergeführt hatten. Budanov sagte, er wolle die Unterstützer Russlands "ärgern", indem er sie wissen ließ, dass die Menschen in Kiew sich von dem Angriff nicht abschrecken ließen und auch danach weitergearbeitet hätten. "Alle, die versucht haben, uns einzuschüchtern und davon geträumt haben, dass es eine Wirkung haben würde, werden es sehr bald bereuen", fügte er in einer vom ukrainischen Geheimdienstministerium veröffentlichten Erklärung hinzu. "Unsere Antwort wird nicht lange auf sich warten lassen." Analysten gehen davon aus, dass Moskau im Vorfeld seiner lang erwarteten Gegenoffensive versucht, die Luftverteidigung der Ukraine zu schwächen und zu beschädigen.
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