
Stunden zuvor hatte das Oberste Gericht des Bundesstaats Colorado befunden, dass sich Trump wegen seiner Unterstützung des Aufstands vom 6. Januar 2021 für das Präsidentschaftsamt disqualifiziert habe. Deshalb müsse sein Name von den Wahlzetteln für die republikanischen Vorwahlen entfernt werden. Die Richter beriefen sich auf einen Verfassungszusatz aus Bürgerkriegszeiten, der Personen von öffentlichen Ämtern auf Bundesebene ausschließt, die sich an einem Aufstand beteiligt haben. Allerdings bleibt die Vollstreckung des spektakulären Urteils vorerst ausgesetzt.
Die Entscheidung des Supreme Courts in Denver ist historisch, da der 14. Zusatzartikel noch nie auf einen Präsidentschaftskandidaten angewendet wurde, und sie ist politisch explosiv, da sie entsprechenden Vorstößen in anderen Bundesstaaten Rückenwind verschaffen dürfte. Ihre direkte Auswirkung auf die Präsidentschaftswahl der USA wird höchstwahrscheinlich aber gering sein. Colorado ist ein mehrheitlich demokratischer Bundesstaat, den Joe Biden 2020 mit 14 Punkten Vorsprung gewonnen hatte. Trump würde dort also selbst bei einem Ausschluss mutmaßlich keine Wahlleute-Stimmen verlieren.
Zudem kann das Urteil angefochten werden, und Trumps Kapagne hat schon eine Berufung angekündigt. Die Richter selber scheinen auf eine Entscheidung des Supreme Courts in Washington zu hoffen. "Wir ziehen diese Schlüsse nicht leichtfertig", schreiben sie in ihrer Begründung: "Wir sind uns der Größe und des Gewichts der vor uns liegenden Fragen bewusst, und wir wisssen, dass wir uns in unerforschtes Gebiet begeben." Doch habe man angesichts des bevorstehenden Meldetermins für die Vorwahlen eine Entscheidung treffen müssen. Zugleich setzten sie diese bis zum 4. Januar 2024 oder im Falle einer Eingabe bis zu einem abschließenden Urteil des Obersten Gerichtshofs der USA aus.
Wie in den Bundesstaaten Michigan und Minnesota hatten in Colorado Bürger mit Verweis auf den 14. Verfassungszusatz gegen eine Kandidatur von Trump geklagt. In allen drei Bundesstaaten scheiterten sie in erster Instanz. Umstritten ist vor allem, ob der Paragraf, der ursprünglich verhindern sollte, dass Vertreter der Konföderierten Staaten, die sich 1861 von den USA abspalteten, wieder in einer Bundesregierung mitarbeiten können, tatsächlich auch für Präsidenten oder möglicherweise nur für Beamte gilt, wie ein Distriktgericht in Colorado befand.
Dieses Urteil hebt das Oberste Gericht von Colorado nun für diesen Bundesstaat auf. Zugleich konserviert es aber den Status Quo: Sollte Trump – wie erwartet – innerhalb der nächsten zwei Wochen Berufung einlegen, bleibt er auf dem Wahlzettel für die Vorwahlen am 5. März. Bis zu einer Entscheidung des Supreme Courts in Washington könnten Monate vergehen. Rechts-Experten sehen angesichts der klaren rechten Mehrheit von sechs zu drei Sitzen am obersten Bundesgerichts eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass dort der Wahlausschluss aufgehoben wird.
Die knifflige juristische Lage erklärt die negativen Reaktionen von Trumps innerparteilichen Wettbewerbern um die Präsidentschaftskandidatur, die sich eigentlich über die Niederlage des Konkurrenten freuen müssten. Die auf den ersten Blick verwunderlichen Solidaritätsadressen dürften zudem der Dominanz des Ex-Präsidenten in dem Rennen geschuldet sein. Kein Wettbewerber will dessen hoch loyale Basis verärgern.
Trump selbst ist entschlossen, den Spruch des Gerichts für seine Kampagne zu nutzen. "Was für eine Schande für unser Land", postete er am Mittwochmorgen auf seiner Propagandaplattform "Truth Social" und kurz darauf: "Ein trauriger Tag für Amerika". Der Ex-Präsident behauptet, dass ihn die Demokraten mit Hilfe der Justiz um die Kandidatur bringen wollen. "Bananenrepublik", ereiferte er sich: "Wahlmanipulation!" Gleichzeitig startete er eine neue Spendenkampagne.