
In der Nacht zu Donnerstag haben die Republikaner im US-Senat neue milliardenschwere Sicherheitshilfen für die Ukraine und Israel blockiert. Das 110,5 Milliarden Dollar schwere Paket erhielt bei einer parteiübergreifenden Abstimmung nicht die nötigen 60 Stimmen, um im 100-köpfigen Senat zur Debatte zu kommen.
Alle Republikaner im Senat stimmten mit Nein, ebenso der unabhängige Senator Bernie Sanders, der gewöhnlich mit den Demokraten votiert, aber Bedenken gegen die Finanzierung der "gegenwärtigen unmenschlichen Militärstrategie" Israels gegen die Palästinenser geäußert hatte. Der Mehrheitsführer im Senat, Chuck Schumer, stimmte aus Verfahrensgründen ebenfalls mit Nein, um eine Überarbeitung des Vorschlags zu ermöglichen.
Nach der Abstimmung sprach Schumer von einem "ernsten Moment, der bleibende Folgen für das 21. Jahrhundert haben wird" und den Niedergang der westlichen Demokratie riskiere. Mit ihrem Nein wollen die Republikaner ihre Forderungen nach einer strengeren Einwanderungspolitik und einer Kontrolle der Südgrenze durchsetzen und fordern mehr Rechenschaftspflicht für ins Ausland fließendes Geld der amerikanischen Steuerzahler.
Zuvor hatte bereits US-Präsident Joe Biden gewarnt: "Machen Sie keinen Fehler, die heutige Abstimmung wird lange in Erinnerung bleiben. Die Geschichte wird ein hartes Urteil fällen. [...] Wir können nicht zulassen, dass (der russische Präsident Wladimir) Putin gewinnt." Insgesamt geht es um Hilfen für die Ukraine in Höhe von 61,4 Milliarden Dollar (56,5 Milliarden Euro).
Insgesamt befinden sich die westlichen Hilfen für das angegriffene Land derzeit auf einen Tiefststand – im Vergleich zum Vorjahreszeitraum (August und Oktober 2023) sind sie um fast 90 Prozent gesunken. Laut dem Kiel Institut für Weltwirtschaft (IFW) beliefen sie sich im angegebenen Zeitraum auf nur noch 2,11 Milliarden Euro. Von den 42 erfassten Gebern haben nur 20 in den letzten drei Monaten neue Hilfspakete zugesagt, der geringste Anteil aktiver Geber seit Beginn des Krieges.
Kommende Woche droht ein weiterer Rückschlag: Vor dem Treffen der europäischen Staats- und Regierungschefs am 14. und 15. Dezember in Brüssel hat Ungarns illiberaler Regierungschef Viktor Orban angekündigt, gegen die Unterstützung der Ukraine mit 50 Milliarden Euro aus dem EU-Haushalt zu stimmen – ebenso will er den Beginn von EU-Beitrittsverhandlungen für das Land blockieren. Orban ist ein enger Verbündeter des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Der Wahlsieg von Rechtspopulisten in der Slowakei, wo der neue Regierungschef Robert Fico Militärhilfen für den angegriffenen Nachbarn stoppte, sowie in den Niederlanden scheinen Orban zu bestärken.
"Ich glaube nicht, dass die Querschüsse in der EU und im amerikanischen Kongress aus dem Kreml gesteuert werden. Aber die Gleichzeitigkeit der Ereignisse ist sicher kein Zufall", sagt Ralf Fücks, Gründer der Bremer Denkfabrik Zentrum Liberale Moderne.
Der frühere Grünen-Politiker und langjährige Vorsitzende der Heinrich-Böll-Stiftung sieht im Gespräch mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) "eine globale antiliberale Allianz am Werk, die auf verschiedenen Schauplätzen jetzt sichtbar wird und die sich durch jedes Zeichen der Schwäche des Westens ermutigt fühlt, noch offensiver zu werden".
Konkret nennt Fücks die "Achse Moskau–Teheran, die nicht nur in der Ukraine, sondern auch im Nahen Osten aktiv ist". Die Ukraine ist laut Fücks dabei "ein Testfall, die liberale Weltordnung, die sie mit einer Dominanz des Westens verbindet, aus den Angeln zu heben und durch das zu ersetzten, was sie multipolare Weltordnung nennen – in der es keine verbindlichen Regeln gibt, keine universellen Menschenrechte, keine Bindung an das Völkerrecht, sondern nur das Recht des Stärkeren. Eine Welt, aufgeteilt in Großräume, die von jeweiligen regionalen Mächten beherrscht werden."
Für Fücks ergibt sich daraus für die Verteidiger von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit "eine doppelte Auseinandersetzung nach innen und nach außen". Mit Blick auf das EU-Gipfeltreffen am 14. und 15. Dezember in Brüssel glaubt der Grüne, "dass sich Orban jetzt stark genug fühlt und ganz offen zum Angriff übergeht, um die EU von innen heraus zu zerstören". Fücks: "Er sieht seine Stunde gekommen, weil Europa viel zu lange die antidemokratische Entwicklung in Ungarn hingenommen hat. Die EU hat zu lange gezögert, Ungarn nach Artikel 7 das Stimmrecht zu entziehen."
Hintergrund: Nach Artikel 7 des EU-Vertrags ist die Suspendierung eines Mitgliedsstaates möglich, wenn "in schwerwiegender Weise die Grundwerte der Europäischen Union" verletzt werden.