Die Entscheidung über den Austritt sei im Interesse der nationalen Sicherheit getroffen worden, begründete Duma-Chef Wjatscheslaw Wolodin den Beschluss auf seinem Telegram-Kanal. "Washington und Brüssel, besessen von der Idee des Aufbaus einer unipolaren Welt, haben das globale Sicherheitssystem mit der Erweiterung der Nato nach Osten zerstört", sagte er. Russland kündigte erstmals Anfang 2015 seine Absicht an. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion begannen ab 1999 osteuropäische Länder, der Nato beizutreten: Tschechien, Ungarn und Polen waren die ersten. Ein Grund für den Nato-Beitritt waren Sicherheitsgarantien und damit ein Schutz vor Russland.
Der KSE-Vertrag legt die Obergrenzen für die Stationierung schwerer Waffen auf dem europäischen Kontinent fest. Dazu zählen Kampf- und Schützenpanzer, schwere Artillerie, Kampfflugzeuge und -hubschrauber. Moskau gehörte 1990 zu den Mitunterzeichnern der Vereinbarung, legte aber bereits 2007 dessen Umsetzung größtenteils auf Eis. Seit 2015, ein Jahr nach der Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim, nimmt Russland auch nicht mehr an den Sitzungen der Beratungsgruppe teil.
Die Gesetzesinitiative zur Kündigung des KSE-Vertrags hatte Russlands Präsident Wladimir Putin in der vergangenen Woche im Parlament eingebracht. Am Dienstag teilte Putins designierter Gesandter der Staatsduma mit, dass die NATO-Staaten es Russland "unmöglich gemacht" hätten, im Vertrag zu bleiben, indem sie die Expansion des Bündnisses nach Mittel- und Osteuropa zugelassen hätten. Auch der stellvertretende Außenminister Sergej Rjabkow bezeichnete den Vertrag in einem am Montag in der von der Staatsduma herausgegebenen Wochenzeitung Parliamentskaya Gazeta veröffentlichten Interview als "im Widerspruch zu den Sicherheitsinteressen Russlands". Rjabkows Äußerungen wurden während der Parlamentssitzung am Dienstag von wichtigen Abgeordneten aufgegriffen. Der Sprecher der Staatsduma, Leonid Slutsky, warf vor, dass der Vertrag „schon lange nur auf dem Papier existierte“, während Andrei Kartapolow, der Vorsitzende des russischen Parlamentsausschusses, sagte, dass er durch die Platzierung militärischer Infrastruktur der NATO in mittel- und osteuropäischen Mitgliedsstaaten obsolet geworden sei. Nach Angaben von Vizeaußenminister Sergej Rjabkow nehmen die Austrittsprozeduren etwa ein halbes Jahr Zeit in Anspruch.
Derzeit gebe es keine Möglichkeit, den Vertrag wiederzubeleben, betonte der Diplomat. "Besprechen kann man etwas, wenn sich der Sturm in unseren Beziehungen mit dem Westen gelegt hat, wenn der Westen auf seine feindselige Politik gegenüber Russland verzichtet und konzeptuell neue Wege sucht", sagte Rjabkow. Russland, das vor einem Jahr seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine gestartet hat, behauptet immer wieder, sich gegen eine westliche Aggression verteidigen zu müssen.
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