Nun macht die bisherige Linken-Politikerin ernst: Am Montag stellte die Bundestagsabgeordnete mit weiteren Mitstreitern den Verein Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) vor. Der Verein soll 2024 in die Gründung einer neuen Partei münden, die bereits zur Europawahl im Juni 2024 antreten soll – nach Möglichkeit auch zu den Landtagswahlen. "Natürlich gibt es ganz viele Menschen, die wählen die AfD nicht, weil sie rechts sind, sondern weil sie wütend sind, weil sie verzweifelt sind", sagte Wagenknecht dem ZDF. Auch das sei ein Grund, warum sie mit dem neuen Projekt an den Start gehe.
Die Hoffnung der CDU geht genau in diese Richtung: Dass eine Wagenknecht-Partei, auch wenn man deren Politik ablehnt, zumindest den Druck vom Kessel nimmt. Im Vergleich zum letzten Sonntagstrend des Meinungsforschungsinstituts Insa vom 21. Oktober verliert vor allem die AfD, aber auch die Union Stimmen an das BSW. Die AfD kommt in der neuen Umfrage noch auf 18 Prozent, zuvor 22. Die Union liegt bei 26,5, zuvor 29 Prozent. Hinter der AfD folgen dann SPD (15,5 Prozent) und die Grünen auf Platz drei und vier. Die Linke verliert einen Punkt, liegt bei 4 Prozent und würde den Einzug in den Bundestag verpassen.
Doch würde die CDU auch mit der Wagenknecht-Partei zusammenarbeiten? In der Partei gilt das allein schon wegen der Person Wagenknecht als sehr unwahrscheinlich, auf Anfrage wollte sich das Adenauerhaus aber nicht zum Umgang äußern. Hintergrund ist, dass die CDU der Politikerin nicht mehr Aufmerksamkeit geben will, als sie ohnehin schon hat. Vor allem aber hat die CDU aktuell noch keine gemeinsame Linie in Bezug auf Wagenknecht. Der Umgang mit dem BSW soll Thema in der Präsidiumssitzung am Mittwoch sein. Ob Beschlüsse gefasst werden, blieb zunächst unklar.
In der CDU werden Forderungen laut, nichts zu überstürzen: "Die Wagenknecht-Partei ist noch eine Blackbox", sagt der Brandenburger CDU-Chef Jan Redmann. "Wir wissen noch gar nicht, wie genau sie sich inhaltlich aufstellen wird, wer in den Ländern personell dahinter steht. Klar ist nur, dass es zwischen der CDU und ihr extreme Unterschiede gibt. Alles Weitere sollten wir abwarten." Und Unionsfraktionsvize Sepp Müller appelliert: "Wir beschäftigen uns nicht mit anderen Parteien, sondern haben ausreichend Hausaufgaben bei uns."
Die Junge Union fordert die CDU derweil auf, sich jetzt deutlich zu positionieren. "Es darf für die CDU keine Zusammenarbeit mit der Wagenknecht-Partei geben. Da muss die CDU ganz klar sein", sagt ihr Vorsitzender Johannes Winkel. "Wagenknecht ist klug auf den Anti-Wokeness-Zug aufgesprungen. Die Menschen dürfen sich davon aber nicht blenden lassen: Wagenknecht war die Wortführerin der kommunistischen Plattform, mit politischem Vorbild Stalin."
Unter Christdemokraten gibt es eine große Skepsis, unter anderem weil sie durch das BSW eine "Zersplitterung der Parteienlandschaft" fürchten. Doch die Ostverbände stehen unter Druck: Ein Unvereinbarkeitsbeschluss untersagt bereits eine Koalition oder ähnliche Formen der Zusammenarbeit mit der AfD und der Linkspartei. Dieser wird in Thüringen de facto bereits unterlaufen, da die Christdemokraten im Landtag beispielsweise immer wieder den Haushalt mit der Regierung von Linken-Politiker Bodo Ramelow beschließen. Würde man einen solchen Beschluss auch für die Wagenknecht-Partei fassen, erschwerte das die Situation.
Wiederum befürchten die Skeptiker eine Gegenreaktion der Wählerinnen und Wähler, die maximale Distanz der CDU zur Linken einfordern. "Sozialismus ohne Gendern ist nicht konservativ, sondern bleibt Sozialismus", sagt JU-Chef Winkel. Außerdem mache es die Wagenknecht-Partei wahrscheinlicher, dass eine linke Mehrheitsregierung zustande kommt, heißt es in der CDU. Christdemokrat Müller kritisiert zudem, dass vor allem Politiker aus dem Westen dem Bündnis angehören: "Am westlichen Wesen wird der Osten nicht genesen. Hoffentlich durchschauen die Wähler das Angebot der Populisten."
In der CDU halten manche es für möglich, dass BSW auf dem nächsten Bundesparteitag im kommenden Mai Thema sein wird. Die Debatte darüber geht also gerade erst los.