Der Kanzler hatte am Mittwoch die Lieferung von 14 Leopard-2-Panzern in die Ukraine angekündigt und den Weg für die Lieferung dieser schweren Kampfpanzer auch aus anderen Ländern frei gemacht. Die USA wollen 31 Kampfpanzer des Typs Abrams schicken, Großbritannien 14 Challenger 2. Außerdem haben Polen, Norwegen, die Niederlande und Spanien angekündigt, sich an der Panzer-Allianz zu beteiligen. Portugal und Finnland überlegen noch. Schon vor der Entscheidung des Kanzlers hatte Peskow vor deutschen Panzerlieferungen gewarnt. Dadurch würden sich die Beziehungen noch weiter verschlechtern. Konkrete Drohungen kamen von dem Vertrauten von Präsident Wladimir Putin bisher allerdings nicht. Den Krieg erklären werde Russland trotzdem nicht, sagte der Kremlsprecher. Russland nennt die Invasion in die Ukraine weiter "militärische Spezialoperation". Der Krieg dauert schon mehr als elf Monate.
Aus Sicht des Kremls führen die Panzer zu einer weiteren Eskalation des Konflikts, sind aber nicht kriegsentscheidend. "Diese Panzer werden brennen wie alle übrigen", sagte Peskow zu den Abrams-Panzern. Russland werde seine Kriegsziele trotzdem erreichen. Russische Militärs halten den T-90 Panzer aus landeseigener Produktion für überlegen und erprobt in Kriegen. Insofern unterscheiden sich die Panzerlieferungen des Westens aus Moskauer Sicht nicht von früheren Waffengaben. Putin hatte - auch ans eigene Volk gerichtet - schon vor Monaten erklärt, der Westen führe seit langem Krieg gegen Russland. Die Ukraine sei nur das Schlachtfeld. Dass die Panzerlieferung nun nicht als das Überschreiten der letzten roten Linie angesehen werden, verdeutlichte auch der russische Abgeordnete und General Andrej Kartapolow. Natürlich würden die Panzer die Spannungen weiter steigern. "Aber das ist noch kein Anlass, Deutschland und anderen Ländern den Krieg zu erklären", sagte der Chef des Verteidigungsausschusses in der Duma, dem Parlament.
Für die Bundesregierung ist zentraler Bestandteil ihrer Ukraine-Strategie, eine Ausweitung des Krieges zu einem Konflikt zwischen Russland und der Nato unbedingt zu vermeiden. Trotzdem gab es zuletzt missverständliche Äußerungen von deutscher Seite. Der neue Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) sprach vergangene Woche noch vor seiner Vereidigung davon, dass Deutschland "indirekt" am Krieg in der Ukraine beteiligt sei. Außenministerin Annalena Baerbock forderte am Montag beim Europarat in Straßburg mit folgenden Worten den Zusammenhalt der westlichen Verbündeten ein: "Wir kämpfen einen Krieg gegen Russland und nicht gegeneinander." Auf Anfrage der "Bild"-Zeitung rückte das Auswärtige Amt die Aussage zurecht. "Die Ukraine dabei zu unterstützen, ihr in der UN-Charta verbrieftes individuelles Selbstverteidigungsrecht gegen den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands auszuüben, macht Deutschland nicht zu einer Konfliktpartei", erklärte das Ministerium.
Völkerrechtler sind sich einig, dass Waffenlieferungen an eine Kriegspartei grundsätzlich keine Kriegsbeteiligung bedeuten. Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags erstellte dazu schon kurz nach Kriegsbeginn ein Gutachten, in dem diese Rechtsauffassung bestätigt wird. Dabei sei "der Umfang von Waffenlieferungen, aber auch die Frage, ob es sich dabei um "offensive" oder "defensive Waffen" handelt, rechtlich unerheblich". In einer Grauzone sehen die Wissenschaftler die Ausbildung ukrainischer Soldaten auf Nato-Territorium. "Erst wenn neben der Belieferung mit Waffen auch die Einweisung der Konfliktpartei bzw. Ausbildung an solchen Waffen in Rede stünde, würde man den gesicherten Bereich der Nichtkriegsführung verlassen." Das Gutachten wurde im März 2022 erstellt. Inzwischen bilden Nato-Staaten in großem Stil ukrainische Soldaten auf ihrem Gebiet an westlichen Waffensystemen aus.
In der deutschen Bevölkerung ist das Gefühl, dass sich Deutschland am Krieg beteiligt, weit verbreitet. Das Meinungsforschungsinstitut YouGov machte dazu kurz vor der Panzerentscheidung (13. bis 18. Januar) eine Umfrage. Schon damals war jeder dritte Befragte (33 Prozent) der Meinung, Deutschland beteilige sich mit Waffenlieferungen am Krieg. Weitere 20 Prozent sagten, mit einer Lieferung von Kampfpanzern werde die rote Linie überschritten.
dp/pcl