Im Koalitionsausschuss hatten sich SPD, Grüne und FDP auf ein 16-seitiges Papier verständigt, das unter anderem den beschleunigten Ausbau der Autobahnen an 144 Stellen, Milliardeninvestitionen in das Schienennetz und eine Lockerung der Klimaschutzregeln vorsieht. Zum Autobahnausbau, auf den die FDP gedrängt hat und den die Grünen gern verhindert hätten, sagte Lang, es sei "sehr wahrscheinlich", dass nicht alle 144 Projekte am Ende beschleunigt gebaut würden. Die Planung werde "nur dann beschleunigt, wenn die zuständigen Länder sagen: Wir wollen das." Die Grünen sind an 12 von 16 Landesregierungen beteiligt und hätten dort Veto-Möglichkeiten.
Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) verteidigte den Kompromiss zum Autobahnausbau in der ARD-Sendung "Bericht aus Berlin". Er sagte am Sonntag: "Wenn ein Engpass beseitigt wird, den die Länder selber beseitigen wollen, dann finde ich, ist es ein vergleichsweise guter Indikator, dass man da jetzt nicht nur Unsinn macht und irgendwie sinnlos durch die Gegend betoniert." Bundesfinanzminister Christian Lindner reklamierte die Urheberschaft für die Länderbeteiligung für sich: "Es war mein Vorschlag, dass wir die Länder mit ins Boot holen", sagte der FDP-Vorsitzende der "Bild am Sonntag". Jetzt könnten gut 1000 Kilometer Autobahnbau beschleunigt werden. "Das gelingt aber nur dann, wenn das vor Ort auch gewünscht ist." Auch die Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Britta Haßelmann, zeigte sich enttäuscht. "Trotz der sich verschärfenden Klimakrise gibt es ganz offenbar nur einen Koalitionspartner, der beim Klimaschutz mehr will", sagte sie dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai widersprach Wirtschaftsminister Habeck wegen dessen Kritik, die vereinbarten Maßnahmen im von der FDP verantworteten Verkehrsbereich reichten nicht aus. "Die Vereinbarungen des Koalitionsausschusses zur Klimaschutzpolitik sind ein Paradigmenwechsel für Deutschland: Das Klimaschutzgesetz wird aus der Planwirtschaft in die Marktwirtschaft überführt", sagte Djir-Sarai der Deutschen Presse-Agentur. Statt unrealistischer Jahresziele einzelner Sektoren zähle künftig das sektorübergreifende Ziel der Klimaneutralität ab dem Jahr 2045.
"Dieses Ziel kann - auch im Verkehrssektor - nur erreicht werden, wenn die Bürgerinnen und Bürger auf dem Weg dorthin mitgenommen werden. Klimaschutz kann nur mit den Menschen gelingen, nicht gegen sie", sagte Djir-Sarai. "Das sollte auch Herr Habeck endlich verstehen. Alles andere führt zu einer weiteren Spaltung der Gesellschaft." Und: "Der Klimaminister Habeck sollte aufhören, Sündenböcke zu suchen. Bei aller persönlichen Wertschätzung, so sollte sich eine Führungspersönlichkeit nicht verhalten." Lindner antwortete aber in der "Bild am Sonntag" entspannt auf die Frage, wie sehr ihn Habeck nerve: "Gar nicht. Er ist einfach ein Kollege."
Habeck bekräftigte am Sonntag in der ARD: "Es ist in der Tat so, dass der Verkehrsbereich seine Klimaschutzziele nicht einhalten wird. Da hätten andere Beschlüsse gefasst werden müssen." Unterstützung erhielt Habeck aus dem Bereich der Umweltverbände. "Es ist offensichtlich, dass die Ergebnisse des Koalitionsausschuss es noch mal schwieriger machen, die Klimaschutzziele im Verkehr zu erreichen", sagte Benjamin Stephan, Greenpeace-Mobilitätsexperte, der dpa in Berlin. "Das ist der traurige Erfolg der bocksturen Blockade der FDP, einer SPD, die sich im Zweifel dann doch gegen das Klima und für eine alte Technologie wie den Verbrenner und mehr Autobahnen stellt sowie einer Grünen Partei, die sich nicht gegen diese Übermacht wehren konnte oder wollte."
Bei den Wählern der Grünen kommen die Beschlüsse der Koalition offenbar nicht gut an. Im ZDF-"Politbarometer", das am Freitag veröffentlicht wurde, sank der Wert für die Grünen um zwei Punkte auf 17 Prozent. Im Gegenzug legte die FDP in der von Dienstag bis Donnerstag erhobenen Umfrage um zwei Punkte auf 7 Prozent zu.
Der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil warnte vor einer Spaltung der Gesellschaft durch Maßnahmen zum Klimaschutz. "Der Klimaschutz darf kein Elitenprojekt für Leute mit Geld sein", sagte er den Zeitungen der Mediengruppe Bayern. Deshalb gehöre zu einem ambitionierten Klimaschutz eben auch soziale Ausgewogenheit. "Auch müssen die Menschen in den Metropolen aufpassen, über die im ländlichen Raum die Nase zu rümpfen, wenn sie aufs Auto setzen." Da, wo er selbst herkomme, gebe es zum Auto keine Alternative. "Und das ist die Realität für sehr viele Menschen in Deutschland."
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