Er warne jene Wähler, die glaubten, die Union mit einem Votum für die AfD unter Druck setzen zu können, sagte Merz: "Jede Stimme für eine solche Partei ist eine Stimme für die Ampel, für Rot, Grün und Gelb." Die AfD wird vom Verfassungsschutz als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuft. Ein CDU-Bundesparteitagsbeschluss verbietet jegliche Zusammenarbeit der Christdemokraten mit AfD und Linken. In Umfragen liegt die AfD im Bund teils bei 19 Prozent und damit als zweitstärkste Kraft hinter der Union und vor SPD und Grünen. In Thüringen und Sachsen stand die AfD in jüngsten Umfragen auf Platz eins, in Brandenburg lag sie auf ähnlichem Niveau wie CDU und SPD. In diesen drei Ländern sind 2024 Landtagswahlen.
Merz attackierte die Ampel-Regierung in mehreren Feldern. So seien in der energieintensiven Industrie 30 Prozent der Arbeitskräfte gefährdet. Dies sei nicht die von Kanzler Scholz proklamierte Zeitenwende, sondern "eine ernsthafte Gefährdung für den Wohlstand unseres Landes". Derweil wachse der Frust in der Bevölkerung, warnte Merz. Da sei es kein Wunder, wenn in Umfragen 87 Prozent die Frage bejahten, ob sich die Politik von der Gesellschaft entferne. "Das sind Symptome einer handfesten Krise unserer Demokratie." Auch Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) griff die Bundesregierung an: "Die Ampel sät Streit und Verunsicherung, lässt Themen anbrennen, bis sich gesellschaftliche Konflikte entzünden." Dies sei "eine Gefahr für die Demokratie".
Mit einer verbalen Spitze reagierte Merz auf Zeitungsbeiträge von Wüst und dessen schleswig-holsteinischem Kollegen Daniel Günther. Er freue sich über die Veröffentlichung von Namensbeiträgen, sagte der Parteivorsitzende. Wenn er diese genau lese, könne er keine Widersprüche erkennen. Er habe nur eine herzliche Bitte: "Wenn vielleicht im letzten Absatz dieser Beiträge dann auch noch auf die anderen verwiesen wird, die ähnlich gute Beiträge geschrieben haben, dann bringt uns das alle zusammen nach vorne. Dann freut das die anderen - und ganz ehrlich: mich auch." Wüst hatte seine Partei in einem Namensbeitrag für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" gewarnt: "Wer nur die billigen Punkte macht und den Populisten hinterherrennt, der legt die Axt an die eigenen Wurzeln und stürzt sich selbst ins Chaos." Die CDU solle "auch in Zukunft der Stabilitätsanker der Mitte sein".
Manche in der CDU hatten den Namensartikel von Wüst hinter vorgehaltener Hand als Abgrenzung von Merz gewertet. Neben dem Parteichef werden in der CDU auch Wüst Chancen auf die nächste Kanzlerkandidatur eingeräumt. Wüst führt in NRW eine Koalition mit den Grünen. In der Partei gibt es Sorgen, dass Merz mit seiner Politik die Mitte der Gesellschaft nur schwer erreichen könne. Auch deswegen lägen die Umfragewerte der Union unter der 30-Prozent-Marke. Günther hatte der "Süddeutschen Zeitung" kurz vor dem Parteitag auf die Frage, was er der CDU nun empfehle, gesagt: "Kurs der Mitte, sprachlich sauber bleiben, keine Debatten über das Gendern und andere Nebensächlichkeiten führen - den Leuten halt keinen Scheiß erzählen." Merz war auch intern hinter vorgehaltener Hand kritisiert worden, nachdem er Anfang Juni auf Twitter unter anderem zum Thema Gendern geschrieben hatte: "Mit jeder gegenderten Nachrichtensendung gehen ein paar hundert Stimmen mehr zur AfD."
In einem Beschluss macht sich die CDU gegen "Gender-Sprache" in Behörden, Schulen, Universitäten und im öffentlich-rechtlichen Rundfunk stark. Ein entsprechender Antrag wurde mit zwei Gegenstimmen und drei Enthaltungen angenommen. Einstimmig stellten sich die Delegierten hinter die Forderung der Parteispitze, mit verpflichtenden Deutschkursen für Vorschulkinder mit Sprachdefiziten, einem "Kinderzukunftsgeld" und einer engeren Verzahnung von Kitas und Schulen die Bildungschancen von Kindern zu verbessern. Die CDU erinnerte zudem an den Volksaufstand vom 17. Juni 1953 in der DDR und den damaligen Einsatz der Menschen für die Freiheit.
Klima-Aktivisten der Gruppe Letzte Generation blockierten während des Delegiertentreffens zeitweise Teile einer Straße vor der Parteizentrale. Der Vorsitzende des Unions-Nachwuchses von der Jungen Union, Johannes Winkel, setzte sich kurzzeitig neben einen der Aktivisten auf die Straße. An diesem Samstag wollte die CDU mit einem großen Konvent in Berlin den nächsten Schritt zur Entwicklung ihres neuen Grundsatzprogramms gehen. Die Diskussionen des Konvents mit etwa 500 Gästen sollen in das neue Grundsatzprogramm einfließen. Ein Bundesparteitag Anfang Mai kommenden Jahres soll das Programm endgültig beschließen.
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