Finanzminister Christian Lindner (FDP) will den Entwurf für den Etat 2024 in der kommenden Woche vorlegen. In der Regierung gibt es seit Wochen schwierige Verhandlungen darüber. Lindner hatte Briefe an die Ministerien mit Vorgaben verschickt, wie viel Geld jedes Ressort im nächsten Jahr ausgeben darf. Der Haushalt soll ohne Steuererhöhungen auskommen und die Schuldenbremse wieder einhalten.
Vom Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherungen, der auch die Pflegekassen vertritt, kam umgehend Kritik. Mit der Streichung selbst des kleinen Bundeszuschusses spare die Regierung einmal mehr zulasten der Pflegeversicherung - statt den Zuschuss endlich angemessen zu erhöhen. Die Sozialversicherungsbeiträge für pflegende Angehörige habe der Bund auch an die Pflegekassen abgeschoben. Die Deutsche Stiftung Patientenschutz monierte, die Ampel-Koalition trockne das Langzeitpflege-System aus. "Damit unterstreicht die Bundesregierung ihre politische Ignoranz gegenüber den Nöten und Sorgen der pflegebedürftigen Menschen", sagte Vorstand Eugen Brysch.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) protestierte scharf. "Mitten im Pflegenotstand den Pflegezuschuss zu streichen, ist ebenso dumm wie zynisch - gegenüber zu Pflegenden genauso wie gegenüber den Pflegekräften", sagte Vorstandsmitglied Anja Piel der Deutschen Presse-Agentur. Um Pflegebedürftige und Angehörige zu entlasten, müsste der Zuschuss erhöht werden. Bleibe es bei der Kürzung, sei das "eine sozial- und pflegepolitische Bankrotterklärung" der Regierung.
Zur Stabilisierung der Pflegeversicherung hatte der Bundestag gerade erst eine Reform beschlossen, die am Samstag in Kraft tritt. Sie soll pro Jahr 6,6 Milliarden Euro zusätzlich mobilisieren und die Finanzen damit vorerst bis 2025 absichern. Dazu wird am Samstag bereits der Pflegebeitrag erhöht. Die Reform von Lauterbach bringt Anfang 2024 dann auch Verbesserungen für Pflegebedürftige im Heim und zu Hause.
Ein Überblick über die Änderungen der Pflegebeiträge:
- Der Beitrag lag bisher bei 3,05 Prozent des Bruttolohns, für Menschen ohne Kinder bei 3,4 Prozent. Jetzt wird er erhöht, und zwar in Kombination mit Änderungen wegen eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts. Demnach muss stärker danach unterschieden werden, ob man Kinder hat oder nicht.
- Alles in allem steigt der Beitrag für Kinderlose so auf 4 Prozent und für Beitragszahler mit einem Kind auf 3,4 Prozent. Der enthaltene Arbeitgeberanteil geht von 1,525 Prozent auf 1,7 Prozent herauf.
- Konkret wird der Pflegebeitrag für größere Familien für die Dauer der Erziehungsphase bis zum 25. Geburtstag des jeweiligen Kindes deutlicher gesenkt - und zwar schrittweise je Kind. Ab zwei Kindern muss damit - bezogen auf den Arbeitnehmeranteil von bisher 1,525 Prozent - weniger gezahlt werden als bisher.
- Bei zwei Kindern beträgt der neue Arbeitnehmeranteil 1,45 Prozent, bei drei Kindern 1,2 Prozent, bei vier Kindern 0,95 Prozent und bei fünf und mehr Kindern 0,7 Prozent. Ist ein Kind älter als 25 Jahre, entfällt "sein" Abschlag. Sind alle Kinder aus der Erziehungszeit, gilt dauerhaft der Ein-Kind-Beitrag, auch wenn man in Rente ist.
Gewerkschaften und Arbeitgeber kritisierten die höheren Beiträge. Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger sagte der dpa, damit habe es sich die Politik zu leicht gemacht. "Gerade in Zeiten hoher Inflation und multipler Krisen muss die Politik alles tun, um die Beitragszahlenden zu entlasten." DGB-Vorstandsmitglied Piel kritisierte: "Die Erhöhung der Pflegebeiträge in immer kürzeren Abständen ist ganz sicher nicht die Rettung der Pflegeversicherung." Nötig sei eine "echte Reform", die dafür sorge, dass sich alle im Ernstfall auf eine Pflege mit guten Leistungen verlassen könnten, die nicht arm mache.
In diesem Jahr erwartet die Pflegeversicherung dank der höheren Beiträge eine Rückkehr in die schwarzen Zahlen. Auszugehen sei von einem "ganz leichten Überschuss", hatte der Spitzenverband erklärt. Im vergangenen Jahr war die Pflegeversicherung mit einem Minus von 2,25 Milliarden Euro tiefer in die roten Zahlen gerutscht. Ohne die Pflegereform hätten im Herbst akute finanzielle Engpässe gedroht.
mit Material der dpa