
Das würde Kapazitätsprobleme mit sich bringen. Und angesichts der erschütternden antisemitischen Vorfälle in Deutschland seit dem Hamas-Überfall auf Israel am 7. Oktober sind die Sicherheitsbehörden mit Blick auf den Karnevalsauftakt am Schabbat, dem jüdischen siebten Wochentag der Ruhe, alarmiert.
Einen der "besonderen Tage in Köln" nennt Wolfgang Baldes, Sprecher der Polizei Köln den "Elften im Elften" zunächst gelassen. Der Auftakt findet traditionell vormittags in der Altstadt auf dem Heumarkt statt. Die Kölner Willi-Ostermann-Gesellschaft, lädt ein. Einlass ist ab 7.30 Uhr, Karnevalsstartschuss um 11.11 Uhr Bühnenprogramm bis 21 Uhr. Mit Absperrungen und personalisierten Tickets sei diese Veranstaltung polizeilich gesehen ebensowenig problematisch wie die Feiern in der Südstadt mit einem eher gediegenen Publikum.
Hotspot ist die Zülpicher Straße und der angrenzende, "Ringe" genannte, Straßenhalbkreis um die Altstadt. Mehrere Zehntausende werden von der Polizei erwartet, etwa 10.000 waren es im Vorjahr, als der 11. 11. auf einem Freitag lag. In dem auch als "Kwartier Latäng" bekannten Studentenviertel wird traditionell bereits vormittags kräftig Alkohol konsumiert, manch Einheimischer und manche Einheimische rümpft über das "riesige Besäufnis", das mit Karneval nichts zu tun habe, schon länger die Nase.
"Das kann bereits am Nachmittag dazu führen, dass die Stimmung kippt", sagt Baldes. Mit mehreren Hundertschaften ist die Polizei Köln deshalb am Samstag in der Stadt unterwegs. Und rechnet auch mit Ansprache aus den Reihen der Feiernden, um möglichst schnell "in Situationen hineingehen" zu können.
Auch das "Kwartier" ist durch Zugänge abgesichert. Es können nicht endlos Menschen hineingehen. Droht das Viertel überzuquellen, greift ein Sicherheitskonzept der Stadt Köln. Die Ordner werden dann angewiesen, niemanden mehr durch die Absperrung zu lassen, und das überzählige Feiervolk wird auf eine Entlastungsfläche geleitet. Die mit grauen Plastikbahnen und Trittplatten ausgelegten Uniwiesen an der Zülpicher Straße, eigentlich ein Landschaftsschutzgebiet, werden dann zur erweiterten Partyzone mit Snack- und Kölschbuden. Auch hier gibt es Zugangsregelungen. Die Stadt übernimmt die Veranstalterrolle, setzt eigenes Securitypersonal ein.
Die Kölner Synagoge, ein neuromantischer Bau aus dem späten 19. Jahrhundert, liegt am Rand des "Kwartier Latäng". Hat man angesichts der antisemitischen Angriffe und Vorfälle in Deutschland seit dem brutalen Überfall der Hamas-Terroristen auf Israel Angst, aus der Deckung des Karnevalsauftaktes, der auf einen Schabbat fällt, könnte es Gewalt gegen jüdische Deutsche oder ihre Einrichtungen geben?
Es gebe da keine konkreten Hinweise, sagt Baldes, weist aber auf eine Sicherheitslage hin, bei der man von einer abstrakten Gefährdung spreche. Man werde ganz genau hinsehen. "Wenn da jemand an seinem Kostüm täuschend echt aussehende Waffen hat, oder – über guten Geschmack kann man streiten – sich gar als Terrorist verkleidet hat, greifen wir sofort ein."
Zwar werde direkt an der Synagoge nicht gefeiert, die Einsatzkräfte seien jedoch sensibilisiert, es werde dort besondere Schutzmaßnahmen geben. Eine Fahrspur würde aus der Straße "herausgenommen", ein Gitter eingezogen – was den Einsatzkräften eine erhöhte Entfaltungsfreiheit biete.
"Gegenüber der Synagoge, auf dem Rathenau-Platz, befinden sich unsere gesamten Versorgungseinrichtungen, das heißt, dort ist sowieso sehr viel Polizei. Sollten da betrunkene Jecken irgendeinen Blödsinn veranstalten oder irgendwer seine Flagge zeigen wollen, sind wir da", sagt Baldes. "Wir haben in diesem Jahr einen Einsatzabschnitt ‚Aufklärung‘ und beobachten das Festgeschehen – uniformiert oder in Zivil – mit Blick auf mögliche Gefährdungen. Dafür setzen wir auch Beamte des Staatsschutzes ein."
Mit Reaktionen auf abstrakte Bedrohungen habe man bereits Erfahrungen gesammelt. Ein paar Tage nach dem Terroranschlag von Nizza im Juli 2014, bei dem ein Terrorist des IS mit einem Lastwagen auf der Strandpromenade 86 Menschen tötete und 400 zum Teil schwer verletzte, fanden die "Kölner Lichter" statt, das größte musiksynchrone Feuerwerksspektakel Europas. Auch damals seien Maßnahmen zum Schutz feiernder Menschen ergriffen worden. Ähnlich verhält es sich mit den Kölner Weihnachtsmärkten seit dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt auf dem Berliner Breitscheidplatz 2016.
"Es geht nicht nur darum, die Synagoge als Symbol zu schützen", erklärt Baldes. "Es finden da am Samstag auch zwei Gottesdienste statt. Die Synagoge ist ein Ort, an dem Menschen beten wollen. Insbesondere angesichts des Nahostkonflikts ist sie für viele ein Rückzugsraum, um dort Ruhe zu finden. Und das wird von uns gewährleistet werden." Demonstrationen mit Bezug zum Terrorüberfall und zum Krieg in Nahost könnten am Samstag in Köln nicht stattfinden.
"Die Sicherheit unserer jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger wie auch jüdischer Einrichtungen hat für uns höchste Priorität", sagt auch ein Sprecher des nordrhein-westfälischen Innenministeriums. Schon unmittelbar nach dem Terrorangriff auf Israel habe das Ministerium die Kreispolizeibehörden angewiesen, "verstärkte Präsenz an jüdischen Einrichtungen zu zeigen".
Nach den Mobilisierungsaufrufen der Terrorgruppe Hamas habe Innenminister Herbert Reul diese Präsenz noch einmal erhöht. Nun würden die Polizeibehörden die Sicherheitslage in ihrem Bereich täglich neu bewerten und die Maßnahmen eigenverantwortlich anpassen. "Das galt für den Jahrestag der Reichspogromnacht am 9. November, und das gilt auch zum Start des Karnevals."
Das bekannte Hauptproblem wird am "Elften im Elften" im "Kwartier Latäng" jedoch der Alkohol werden. "Die einen gehen dann in ein Sanitätszelt, die anderen werden lustig … und wieder andere werden aggressiv", sagt Polizeisprecher Baldes. Man kenne das von Samstagnachteinsätzen auf den "Ringen". "Was anfangs noch nett ist – ‚Was hast du für ein schönes Kostüm an‘ – wird im Laufe des Abends oft respekt- und distanzlos." Dafür ist zum einen "Edelgard" (die Schützende) im Karnevalseinsatz, ein Projekt der Kölner Initiative gegen Gewalt, das am Samstag mit einem Stand und Beratungsteams für Frauen und Mädchen da ist, wenn sie sich bedroht fühlen oder einen Übergriff erlebt haben.
Zum anderen stehen aber auch die Kölner Polizistinnen und Polizisten zur Verfügung. "Wird jemand durch andere Feiernde bedrängt, muss man uns nur ansprechen. Das gibt mindestens eine Anzeige und einen Platzverweis", so Baldes. "Und wenn sich derjenige dagegen sträubt, haben wir die Kapazitäten, dass für ihn die Feier auf der anderen Rheinseite zu Ende geht – bei uns im Polizeipräsidium."