Die polnischen Lkw-Fahrer blockieren seit dem 6. November mehrere Grenzübergänge zwischen den beiden Ländern. Damit protestieren sie gegen die gelockerten Einreisebestimmungen, die seit Beginn des russischen Angriffskrieges für Lastwagen aus der Ukraine gelten. Diese brauchen seit Beginn des Krieges keine Genehmigung mehr, um Waren von und in den Schengenraum zu transportieren. Am Freitag schlossen sich Fernfahrer in der Slowakei dem Protest an.
Nach langen Verhandlungen: Seit Montag werden zumindest leere Lkw wieder durchgelassen
Am Montag kam allerdings etwas Bewegung in die Verhandlungen. Wie unter anderem die "Zeit" berichtet, lassen die Lkw-Fahrer ab Montag immerhin ukrainische Laster ohne Ladung wieder in die EU einreisen. Es sei das Resultat langwieriger Verhandlungen, teilte der dafür zuständige ukrainische Minister, Oleksandr Kubrakov, auf der Nachrichtenplattform X mit.
Kai-Olaf Lang, Politologe bei der Stiftung Wissenschaft und Politik, erklärt: "Das Ausmaß wird deutlich, wenn man sich vergegenwärtigt, dass vor dem Krieg jährlich etwa 160.000 LKW aus der Ukraine die polnische Ostgrenze überschritten haben, während sich die Zahl im noch laufenden Jahr auf die Million zubewegt." Die polnischen Fernfahrer sagen, die eigenen Fuhrbetriebe könnten nicht mit den niedrigeren Lohnkosten ihrer ukrainischen Konkurrenzunternehmen mithalten. Die Protestierenden behaupten, die ukrainischen Speditionen würden auch innerhalb der EU-Länder Transportdienstleistungen erbringen, sogenannte Kabotage, die allerdings laut der Abkommen mit der Ukraine nicht erlaubt, jedoch schwer zu kontrollieren sind.
Außerdem finden sie es ungerecht, dass sich polnische Lkw auf dem Weg in die Ukraine noch immer in ein elektronisches Wartesystem eintragen müssen. Das führt auch auf polnischer Seite dazu, dass die Laster teils Tage an der ukrainischen Grenze warten müssen. Dass sich der Protest jetzt auf die Slowakei ausweitet, habe laut Lang auch damit zu tun, dass die ukrainischen Fernfahrer auf Ausweichrouten in anderen Staaten wie Ungarn oder der Slowakei umgestiegen sind, wo man auch an Kapazitätsgrenzen stoße.
Das Thema beschäftigt längst auch die polnische Politik. Am 4. Dezember möchte Polen das Thema vor dem EU-Verkehrsrat besprechen. Im Vorfeld berichtete der polnische öffentlich-rechtliche Sender TVP, dass Rafał Weber, Vizeverkehrsminister der Übergangsregierung der PiS, dort die Position der polnischen Regierung noch mal klarmachen möchte: Eine Rücknahme der Einreiselockerungen für ukrainische Fernfahrer.
Er betont gleichzeitig, dass militärische oder humanitäre Transporte die Grenze weiterhin ohne Genehmigung passieren dürfen. Dem widerspricht Stefan Kägebein vom Ostausschuss der deutschen Wirtschaft: "Spediteure berichten uns, dass auch Hilfstransporte aus der EU in die Ukraine betroffen sind, etwa für Medikamente oder für Technik zur Instandsetzung des ukrainischen Energiesystems."
Der Politologe Kai-Olaf Lang hält es allerdings für unwahrscheinlich, dass unter der derzeitigen Übergangsregierung der PiS zu substanziellen Verhandlungen kommen wird. Vielmehr wird diese den Protest für ihre eigene Agenda nutzen, sagt Lang: "Die Übergangsregierung wird vermutlich entschlossen auftreten und weitreichende Forderungen an die EU stellen. Damit soll die Latte für künftige Regierungen hochgelegt werden, im Sinne der Botschaft: ‚Wir haben immer gesagt, dass die Regierung Tusk nachgiebig sein wird!‘". Vergangene Woche vereidigte der amtierende Präsident Polens, Mateusz Morawiecki, eine Minderheitenregierung der PiS. Allerdings gilt es als wahrscheinlich, dass sie in der kommenden Woche von der Oppositionskoalition mittels Vertrauensfrage aufgelöst wird.
Doch auch für die neue Regierung wird es darum gehen, die außen- und innenpolitischen Interessen des Landes in Einklang zu bringen. Lang erklärt: "Jede polnische Regierung muss bei aller Solidarität mit der Ukraine auch nationale Interessen verteidigen. Vor allem, wenn es um den ländlichen Raum, die strukturschwachen Regionen im Osten des Landes oder eben Gruppen geht, die effektiv Proteste organisieren können, kann man nicht passiv bleiben" Trotzdem liegt es laut Lang im Sinne sowohl Polens als auch der Ukraine, den Streit schnellstmöglich beizulegen, um somit wieder funktionierenden Güterverkehr sicherzustellen. Das werde aber nicht ohne Zugeständnisse an die polnischen Speditionen gehen, sagt er: "Die Organisationen, die die Blockaden organisiert haben, signalisierten Kampfbereitschaft bis weit ins nächste Jahr hinein."