
In den zurückliegenden drei Jahren sind demnach in insgesamt in mehr als 210 Fällen Polizeikosten gegenüber Klimaaktivisten erhoben worden. Das geht aus einer Antwort des Ministeriums auf eine parlamentarische Anfrage des fraktionslosen Landtagsabgeordneten Rainer Rahn hervor. Die Einsatzkosten hätten bisher nicht vollständig eingetrieben werden können, erläuterte das Ministerium. Es seien von den Kostenpflichtigen - überwiegend durch ihre Rechtsanwälte - Rechtsmittel eingelegt worden. Allein bei 19 Fällen aus dem laufenden Jahr gibt es den Angaben zufolge ein Klageverfahren.
Gebühren werden beispielsweise fällig, wenn zur Rettung von Menschen technische Ausstattung und Fahrzeuge eingesetzt werden, erläuterte ein Sprecher des Innenministeriums. So können Mietgebühren für Hubsteiger, gefahrene Kilometer der Dienstfahrzeuge oder Hubschrauber zu Buche schlagen. Bei Waldräumungen kämen Kosten für Ärzte und Rettungswagen dazu, bei Autobahnabseilern für Sprungkissen der Feuerwehr und Drehleitern.
Wenn sich Klimaaktivisten am Asphalt festklebten, würden neben Arztkosten auch die Auslagen für Lösungsmittel, Einmalhandschuhe und Spatel in Rechnung gestellt, wie das Ministerium ausführte. Wird jemand in Gewahrsam genommen, kommen weitere Gebühren für Transport, Verpflegung sowie für die Haftfähigkeitsuntersuchung dazu. Eine Sprecherin der Klimaschutzgruppe Letzte Generation, Irene von Drigalski, erklärte: "Die Risiken für unsere Gesellschaft und die Welt sind zu hoch, deshalb nehmen wir mit unserem friedlichen zivilen Widerstand persönliche Risiken auf uns." Für die Gruppe sei unverständlich, dass die Kosten für Klimaschäden nicht den Verursachern in Rechnung gestellt würden.
Die Kostenbescheide an Klimaaktivisten sind allerdings nur ein kleiner Teil der Rechnungen, die die Polizei wegen Einsätzen ausstellt. Im Jahr 2022 gingen den Angaben zufolge für ganz unterschiedliche Einsätze insgesamt 14.780 Kostenbescheide raus. Hauptsächlich handele es sich hierbei um Falschalarm, Abschleppen sowie Gewahrsamnahmen und Ruhestörungen. "Bei Einsätzen wegen Falschalarm wird eine pauschale Gebühr in Höhe von 200 Euro erhoben, bei polizeilich veranlasstem Abschleppen wird immer eine Mindestgebühr von 74 Euro für das polizeiliche Handeln geltend gemacht", erläuterte das Ministerium.
Das Polizeipräsidium für Technik prüfe bei allen Einsätzen, ob Gebühren erhoben werden können. Dabei werde Rücksicht auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Kostenpflichtigen genommen. Die Einnahmen aus öffentlich-rechtlichen Forderungen der Polizei betrugen den Angaben zufolge im Haushaltsjahr 2022 rund 2,9 Millionen Euro. Mit Blick auf Gesamtausgaben von insgesamt rund 1,99 Milliarden Euro (2022) eher eine kleine Summe. Eine spezielle Verwendung der Gebühren gibt es nicht.
Auch Feuerwehren können Rechnungen stellen. Jeder Einsatz werde individuell auf eine mögliche Gebührenerhebung geprüft, teilte die Stadt Wiesbaden mit. Zur Kasse gebeten würden beispielsweise Menschen, die wider besseres Wissens den Notruf wählen. Auch bei ausgelaufenem Fahrzeugöl werden Gebühren fällig. "Ein weiteres Beispiel für einen kostenpflichtigen Einsatz ist eingebranntes Kochgut, wenn die Wohnungsinhaberin oder der Wohnungsinhaber sich nicht in der Wohnung befindet", erläuterte eine Stadtsprecherin. Die Frankfurter Feuerwehr nennt als typisches Beispiel für eine Gebührenpflicht den Fehlalarm der automatischen Brandmeldeanlage in einem Geschäftshaus - etwa durch Staub bei Bauarbeiten. Je nach Objektgröße und der alarmierten Einheiten betrage die Rechnung 239 Euro bis 1009 Euro. Für ein brennendes Auto würden bei einer Einsatzdauer von einer Stunde schätzungsweise rund 500 Euro fällig.
Bei der Marburger Feuerwehr wird nach Auskunft der Stadtverwaltung beispielsweise für den Fehlalarm einer Brandmeldeanlage ein Pauschalbetrag von 620 Euro fällig. "Entsprechende Einsätze gibt es jährlich etwa 180 bis 200 Stück", teilte eine Sprecherin mit. Der Einsatzleiter habe einen "Handlungsspielraum" zu entscheiden, ob der Fehlalarm etwa auf mangelhafte Wartung zurückzuführen und daher kostenpflichtig ist, oder ob der Betreiber alles für eine stabile Technik getan hat und die Auslösung durch Umstände erfolgt ist, die er nicht beeinflussen konnte. In solchen Fällen bestehe die Möglichkeit der Kostenfreiheit.
dp/fa