
Nicht nur seitens der unionsgeführten Ländern wird der Druck auf den Bund erhöht, auch die Ministerpräsidenten der SPD fordern ein Entgegenkommen von Kanzler Olaf Scholz. Die Länder und Kommunen müssten finanziell endlich so ausgestattet werden, "dass sie durch Unterbringung, Versorgung und Integration der Geflüchteten nicht überfordert werden", sagt der Bremer Bürgermeister Andreas Bovenschulte. "Der Bund muss deshalb seinen Anteil an den Kosten auf Dauer spürbar erhöhen, da sind sich die Länder völlig einig", fordert der SPD-Politiker.
Die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Schwesig, verlangt die hälftige Kostenbeteiligung des Bundes. "Wir plädieren für die Einführung einer Bezahlkarte, wollen Verfahren für Flüchtlinge mit schlechter Bleibeperspektive beschleunigen und Flüchtlingen mit guter Perspektive schneller die Aufnahme einer Arbeit ermöglichen. Wir erwarten vom Bund, dass er sich dauerhaft und verlässlich zur Hälfte an den Kosten beteiligt."
Die Sozialdemokratin pocht auf die Reduzierung des Flüchtlingszustroms. Man werde nur dann Menschen gut aufnehmen und integrieren können, "wenn die irreguläre Migration nach Deutschland eingedämmt wird", sagt Schwesig.
Der brandenburgische Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) warnte: "Viele Kommunen sind nicht nur an einer Belastungsgrenze, sie sind schon darüber hinaus". Das sagte er am Montag im Deutschlandfunk.
Am Montag kommen Bund und Länder zu Beratungen unter anderem über die Flüchtlingspolitik zusammen. Die Länderchefs und das Kanzleramt sind sich in zentralen Punkten nicht einig. Als besonders strittig gilt die Finanzierung der Flüchtlingsversorgung. Die Ministerpräsidenten fordern die Einführung einer dauerhaften Pro-Kopf-Pauschale von mindestens 10.500 Euro im Jahr sowie eine Flüchtlingspauschale und die volle Übernahme der Unterbringungskosten. Der Bund strebt zwar auch eine langfristige Lösung an, will jedoch 5000 Euro für die Pro-Kopf-Zahlung aufbringen und will kein weiteres Geld zur Verfügung stellen. Der Ministerpräsident von Niedersachsen und Co-Chef der MPK, Stephan Weil, zeigt sich verärgert und nennt das Finanzangebot im "Tagesspiegel" einen "Witz".
Darüber hinaus wollen die Ministerpräsidenten über die Einführung von Bezahlkarten sprechen und mit dem Bund kürzere Asylverfahren vereinbaren. Weitere Themen des Treffens sind die Zukunft des Deutschlandtickets sowie ein umfangreicher Pakt für schnellere Planungs- und Bauverfahren.
Auch die saarländische Ministerpräsidentin Anke Rehlinger dringt auf eine "vernünftige, atmende Finanzierungszusage des Bundes" in Bezug auf die Flüchtlingsversorgung. Die Sozialdemokratin lenkt den Blick zudem auf die Unionsparteien. Auch die Union müsse dann im Bundestag zustimmen, sagte sie. "Eine neue Ordnung der Migrationspolitik sollte mit breiter Mehrheit der Demokraten beschlossen werden."
Der Städte- und Gemeindebund schlägt für die bessere Organisation einen speziellen digitalen Ausweis für Geflüchtete vor. Darin solle die Identität, der Status und gegebenenfalls auch die beruflichen Kenntnisse oder besondere gesundheitliche Anforderungen festgeschrieben werden können, erläutert Gerd Landsberg, der Hauptgeschäftsführer des Kommunalverbands. Es sei ein "Neustart in der Migrationspolitik" nötig.
Unterdessen werden in der Ampelkoalition Forderungen laut, auf die Länder zuzugehen. "Wir hoffen, dass der gordische Knoten bei der finanziellen Unterstützung der Kommunen in Migrationsfragen endlich durchschlagen wird", sagt Filiz Polat, Migrationsexpertin der Grünen-Bundestagsfraktion. "Wir erwarten ein klares Signal des Bundeskanzlers zur angemessenen finanziellen Unterstützung der Kommunen mit dem Ziel einer fairen Kostenteilung zwischen Bund und Ländern, einer verlässlichen Planung und vorausschauender Politik." Dazu gehöre die Refinanzierung einer "Vorhaltepauschale", sodass die Kommunen auf schwankende Zuzugszahlen flexibel reagieren könnten.
Vorschläge der Liberalen, zur Eindämmung von Migration die Sozialleistungen für Geflüchtete zu reduzieren, lehnt sie ab. "Sozialleistungskürzungen und verpflichtende Sachleistungen, wie sie derzeit dauernd gefordert werden, sind kontraproduktiv", warnt die Grünen-Politikerin. Jüngst hatten die Bundesminister Christian Lindner und Marco Buschmann die Reduzierung der Leistungen gefordert. Das Bundesverfassungsgericht hatte in der Vergangenheit allerdings Grenzen eingezogen. Polat befürchtet "mehr Aufwand und Bürokratie" sowie "katastrophale Folgen für Beschäftigung, Armut und Bildungschancen der Geflüchteten". Die Kürzung von Leistungen für Geflüchtete sei "die schlechteste Politik, die ein Staat umsetzen kann".