
Die Ampel rechtfertigte die Verschiebeaktion mit der Notwendigkeit, in der Corona-Pandemie unterlassene Investitionen nachzuholen. Das sieht die Union jedoch komplett anders und wird darin zum Beispiel auch vom Bundesrechnungshof unterstützt. Die Überführung der 60 Milliarden Euro sei ein Bruch der Schuldenregel des Grundgesetzes, weil dieses Geld nur zur Bewältigung einer unvorhersehbaren Naturkatastrophe – nämlich der Corona-Pandemie – verwendet werden dürfe. Beim Klimaschutz handele es sich jedoch nicht um eine unerwartete Krise. Mittel zur Bekämpfung des Klimawandels müssten daher unter Einhaltung der Schuldenregel aus dem regulären Haushalt finanziert werden, so die Argumentation.
Die Union hat dagegen geklagt. Sie beantragte zusätzlich eine einstweilige Anordnung, um sofort eine faktische Sperrung der Mittel zu erreichen. Das wurde Ende 2022 allerdings vom Verfassungsgericht abgelehnt. Die Richter argumentierten, durch eine Sperrung müssten Klimaprogramme wie zum Beispiel die Förderung energieeffizienter Gebäude sofort gestoppt werden, weil sie aus dem mittlerweile in Klima- und Transformationsfonds (KTF) umbenannte Nebenhaushalt bezahlt würden. Das würde zu erheblichen Unsicherheiten führen, so die Verfassungsrichter. Für weniger kritisch hielt das Gericht die Handlungsoptionen der Regierung, sollte der Union später in der Hauptsache recht gegeben werden.
Interessant ist, dass die Karlsruher Richter an mehreren Stellen in dem Beschluss zur Zurückweisung der einstweiligen Anordnung ausdrücklich darauf hingewiesen haben, dass die von der Union angegriffenen Punkte tatsächlich inhaltlich genau geklärt werden müssten. Es erscheine „nicht ausgeschlossen“, dass die Umwidmung der Gelder „nicht den verfassungsrechtlichen Vorgaben an eine notlagenbedingte Kreditaufnahme“ entspreche, heißt es zum Beispiel in dem Beschlusstext. Die Klage hat also durchaus Chancen. Mit anderen Worten: Die Ampel läuft Gefahr, die 60 Milliarden Euro oder zumindest einen Teil davon wieder zu verlieren.
Dann fehlt das Geld für Klimaschutzprojekte und für die milliardenschwere Förderung von neuen Chipfabriken, was ebenfalls aus dem KTF bezahlt wird. Konkret: Der KTF soll 2024 rund 58 Milliarden Euro ausgeben. Davon stammen 28 Milliarden Euro aus Einnahmen aus dem Emissionshandel, 30 Milliarden aus der 60-Milliarden-Rücklage. 2025 sollen weitere 27 Milliarden Euro aus der Rücklage genutzt werden. 2026 soll sie restlos aufgebraucht werden.
Muss die Umwidmung rückabgewickelt werden, ließen sich die fehlenden 60 Milliarden Euro nicht ohne weiteres als neue Schulden über den Kernhaushalt aufnehmen. Das lässt die Schuldenbremse nicht zu. Die Ampel müsste den Betrag entweder einsparen, was nur durch massive Kürzungen auch bei Sozialleistungen möglich wäre. Oder sie könnte erneut die Ausnahmeklausel der Schuldenbremse ziehen, die eine höhere Verschuldung in „außergewöhnlichen Notsituationen“ erlaubt. Ein erneutes Überschreiten der Schuldenbremse will Finanzminister Christian Lindner (FDP) jedoch unbedingt vermeiden. In Koalitionskreisen hieß es, die Nervosität sei extrem hoch.