Hunderte Straftäter aus dem "Phänomenbereich politisch motivierte Kriminalität (PMK) – nicht zuzuordnen" wurden in Deutschland zuletzt mit offenen Haftbefehlen gesucht. In diesen Bereich ordnen die Sicherheitsbehörden vor allem Straftaten aus dem Milieu der "Querdenker", Corona-Leugner und Verschwörungsideologen ein.
In der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der Linken-Abgeordneten Martina Renner teilte das Bundesinnenministerium nun mit, dass mit Stichtag 31. März 2023 609 offene Haftbefehle gegen 448 Personen aus diesem Bereich vorlagen. 515 dieser Haftbefehle waren zur Strafvollstreckung ausgeschrieben, 79 zur Sicherung eines Strafverfahrens, also zur Untersuchungshaft gegen Tatverdächtige.
Einen wesentlichen Teil der "nicht zuzuordnenden" politisch motivierten Straftaten machten Taten im Zusammenhang mit Protesten gegen Corona-Maßnahmen aus, wie die Bundesregierung anlässlich der Vorstellung der entsprechenden Jahresstatistik im Mai 2023 erklärte. Die Straftaten in diesem "Phänomenbereich" waren im Berichtsjahr 2022 auf einen Rekordwert von 24.080 angestiegen und hatten sogar die ebenfalls sehr hohe Zahl rechter Straftaten übertroffen.
Die Einstufung vieler Straftaten im Zusammenhang mit Corona-Protesten als "nicht zuzuordnen" stößt jedoch auf Kritik: Viele dieser Straftaten seien in der Praxis sehr wohl der rechts-motivierten politischen Kriminalität zuzuordnen. "Das Definitionswirrwarr des Bundesinnenministeriums und der Sicherheitsbehörden verstellt den Blick auf die Gefahren, die von Neonazis und sogenannten Reichsbürgern hinsichtlich bewaffneter Umsturzpläne und Gewalt gegen verhasste Repräsentantinnen und Repräsentanten des Staates ausgehen", sagte die Linken-Bundestagsabgeordnete Martina Renner dem RND.
Durch das "Rausdefinieren eines Teils dieses Personenpotentials in andere Kategorien" werde "die immense Zunahme der gesuchten Rechten und das Versagen der Behörden wie des Innenministeriums verschleiert", kritisierte sie. "Angesichts der hohen Gefahrenlage fordere ich dringend dazu auf, das Kategorienchaos zu beenden und das rechte Personenpotenzial in einer Kategorie, der PMK-rechts, zusammenzufassen", sagte Renner.