Insbesondere die Grünen hatten die Verordnung in der Vergangenheit abgelehnt, weil sie befürchteten, dass in Krisensituationen die Schutzstandards für Migranten in inakzeptabler Weise abgesenkt werden könnten. Die Krisenverordnung ist Teil der geplanten Asylreform, mit der unter anderem die irreguläre Migration begrenzt werden soll. So soll etwa bei einem besonders starken Anstieg der Migration der Zeitraum verlängert werden können, in dem Menschen unter haftähnlichen Bedingungen festgehalten werden können.
Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne), die am Donnerstag ihren italienischen Kollegen Antonio Tajani in Berlin empfängt, äußerte sich zunächst nicht zu Faesers Prognose. Aus dem Auswärtigen Amt hieß es am Mittwoch zum Stand der Verhandlungen über die Verordnung nur: "Jetzt wird in Brüssel endlich richtig verhandelt." Dass der aktuelle Entwurf für die Krisenverordnung vor der Einigung noch einmal signifikant verändert werden könnte, galt in Brüssel am Abend als sehr unwahrscheinlich. Es seien vermutlich nur noch kleinere Anpassungen möglich, hieß es.
Sobald der Streit über die Krisenverordnung beigelegt ist, können wohl auch für die Reform wichtige Verhandlungen mit dem Europäischen Parlament fortgesetzt werden. Denn das Parlament hatte zuletzt angekündigt, Teile der Gespräche zu blockieren, bis sich die EU-Staaten beim Thema Krisenverordnung positioniert haben. Das ist vor allem wegen der nahenden Europawahl im Juni 2024 brisant. Projekte, die bis dahin nicht mit den Regierungen der Mitgliedstaaten ausgehandelt sind, könnten anschließend wieder infrage gestellt werden und sich lange verzögern. Im Fall der geplanten Reform des Asylsystems wäre dies ein besonders großer Rückschlag. An dem Projekt wird bereits seit Jahren gearbeitet.
Das Thema dürfte auch bei anstehenden Wahlen in den Mitgliedstaaten und bei der Europawahl eine Rolle spielen. Vor allem rechte Parteien wie die AfD werfen der EU seit langem Versagen im Kampf gegen illegale Migration vor.
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