Angeordnet hatte die in Deutschland in dieser Form noch nie dagewesene Wahlwiederholung der Berliner Verfassungsgerichtshof. Er erklärte den Urnengang vom 26. September 2021 wegen «schwerer systemischer Mängel» und zahlreicher Wahlfehler für ungültig.
Die Wiederholungswahl könnte die politischen Verhältnisse in der Stadt deutlich verändern. Seit 2016 regieren SPD, Grüne und Linke zusammen, im Dezember 2021 erneuerten sie die Koalition. Seither ist die frühere Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) Regierende Bürgermeisterin, sie muss nun aber um ihr Amt fürchten. Denn den Umfragen lag zuletzt die CDU vor SPD und Grünen.
SPD-Spitzenkandidatin Franziska Giffey hatte die Möglichkeit angedeutet, auch im Falle eines CDU-Wahlsieges Rot-Grün-Rot fortzuführen oder ein anderes Bündnis jenseits der Union zu schmieden. "Wenn ich die Wahl habe, Regierende Bürgermeisterin zu werden oder Herrn Wegner zum Regierenden zu machen, nehme ich Möglichkeit 1. Das ist doch wohl klar", sagte Giffey im Interview mit "B.Z." und "Bild". Um eine Regierung anzuführen, brauche man stabile Mehrheiten aus verschiedenen Parteien. Das gelte auch für CDU-Spitzenkandidat Kai Wegner.
Möglich wären demnach CDU-geführte Koalitionen. Denkbar ist aber auch, dass SPD, Grüne und Linke zusammen weiterregieren. Da es sich um eine Wiederholungs- und keine Neuwahl handelt, ändert sich nichts an der Legislaturperiode. Sie begann 2021 und dauert fünf Jahre.
CDU Parteichef Friedrich Merz sagte zur Wahlkampfstimmung: "Hier geht jetzt ein Ruck durch diese Stadt. Nicht unbedingt hier im innersten Circle, was wir so als Berliner Blase bezeichnen." Aber je weiter man in Berlin herauskomme, umso klarer werde: "Die Menschen wollen dieses hier in Berlin ändern. Und sie haben am kommenden Sonntag die Gelegenheit dazu, das auch wirklich zu tun." Es gelte, dass in der Stadt dann künftig Dinge funktionierten, die bisher nicht funktioniert haben.
Merz machte deutlich, dass die CDU außer in ländlichen Gegenden auch in Großstädten zu Wahlerfolgen kommen wolle. "Wenn wir das am Sonntag zeigen, dann wird niemand mehr in Deutschland behaupten, dass die CDU nicht auch Großstadt kann." Den Wahlkampf der Hauptstadt-CDU nannte Merz "das Beste, was die CDU Deutschlands in den letzten Jahren gesehen hat". Zu der "Schlussspurt"-Veranstaltung kamen mehrere CDU-Spitzenpolitiker, darunter die Ministerpräsidenten Hendrik Wüst aus Nordrhein-Westfalen und Boris Rhein aus Hessen.
Die Wahl zum Abgeordnetenhaus 2021 hatte die SPD mit 21,4 Prozent der Zweitstimmen gewonnen, ihrem historisch schlechtesten Ergebnis in Berlin. Es folgten Grüne mit 18,9 Prozent, CDU mit 18,0 Prozent, Linke mit 14,1 Prozent, AfD mit 8,0 Prozent und FDP mit 7,1 Prozent. Die Wahlbeteiligung lag bei 75,4 Prozent. Der recht hohe Wert war auch der Tatsache geschuldet, dass im September 2021 parallel noch die Bundestagswahl stattfand.
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