Zuvor hatte sich Scholz am Rande des Gipfels mit der italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni getroffen, die sich vor wenigen Tagen in einem Brief an den Kanzler über die Finanzierung der Seenotrettung beschwert hatte. Die Hilfen hatten auch die Verhandlungen über eine Reform des europäischen Asylsystems belastet. Rom betrachtet es als Einmischung in inneritalienische Angelegenheiten, dass die Bundesregierung Hilfsorganisationen fördern will, die sich nicht nur im Mittelmeer, sondern auch auf italienischem Boden um Migranten kümmern.
Nach Angaben des Auswärtigen Amts haben drei Organisationen vom Bund Zusagen für die Seenotrettung und Versorgung von Migranten in Italien bekommen. Insgesamt stünden für das laufende Jahr zwei Millionen Euro zur Verfügung. Erste Auszahlungen sollten an ein Projekt der christlichen Gemeinschaft Sant'Egidio zur Versorgung von Geretteten an Land gehen, weitere Mittel an die Seenotrettungs-Organisationen SOS Humanity und Sea-Eye. Es handele sich jeweils um Summen zwischen 300 000 und 800 000 Euro.
Am Mittwoch hatte die EU Pläne für einen Krisenmechanismus vereinbart, wonach sie bei einem größeren Zustrom von Migranten weitreichend von normalen Schutzstandards für diese Menschen abweichen kann. Polen und Ungarn lehnten diesen Teil der Reform als unzureichend ab, wurden aber überstimmt.
Zusätzlich zur geplanten Asylreform will die EU im Kampf gegen unerwünschte Migration künftig auch wieder stärker auf Militäreinsätze setzen. Nach Angaben des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell wird derzeit eine mögliche Ausweitung der Operation Irini geprüft. Deren Hauptauftrag ist es eigentlich, ein Waffenembargo gegen Libyen zu überwachen.
Nun gibt es Überlegungen, diese auch zu nutzen, um Menschenhandel und Menschenschmuggel in Tunesien einzudämmen. Dafür bräuchte es aber das Einverständnis der Regierung in Tunis, weil eine solche Mission nur in tunesischen Hoheitsgewässern erfolgreich sein könne, sagte Borrell. Zudem erwägt der Spanier nach eigenen Angaben, ob eine EU-Beratermission zur Unterstützung des Grenzschutzes in Tunesien sinnvoll sein könnte. Diese könnte dann auch dafür sorgen, dass Migranten künftig schwerer über die südlichen Grenzen des Landes an die Mittelmeerküste kommen.