
Darüber sind die meisten Europäer nicht glücklich. Der republikanische Sprecher des Repräsentantenhauses, Kevin McCarthy, warnte einmal, dass er nicht beabsichtige, der Ukraine einen "Blankoscheck" auszustellen. Der Gouverneur von Florida, Ron DeSantis, der als republikanischer Präsidentschaftskandidat kandidiert, bezeichnete den Krieg zwischen Russland und der Ukraine als "Territorialstreit". Sein republikanischer Rivale, der frühere Präsident Donald Trump, sagte, dass er den Krieg nicht als Gewinn oder Niederlage sehe – eine besorgniserregende Aussage für die Verbündeten der Ukraine, die eindeutig gewinnen wollen.
Die europäischen Verbündeten unternahmen kaum Anstrengungen, ihre Probleme mit Trump zu verschleiern, als er der 45. Präsident der USA war. Die Aussicht auf seine Wiederwahl als 47. wird nach den Worten der ehemaligen EU-Außenberaterin Nathalie Tocci als "katastrophal" angesehen. Die anhaltenden Auseinandersetzungen zwischen Demokraten und Republikanern über die Schuldenobergrenze haben das Vertrauen in das politische System Amerikas erschüttert. "Ich denke, die Europäer gewöhnen sich zunehmend daran, dass dieses kaputte System in vielerlei Hinsicht Auswirkungen auf die globale Stellung der USA hat", sagt Tocci.
Die Anhebung der Schuldenobergrenze, um zu verhindern, dass Amerika seinen Rechnungen zahlungsunfähig wird, sollte eine Routineangelegenheit der Regierung sein – aber die parteiische Politik hier hat es zu einem Drahtseilakt mit möglicherweise verheerenden Folgen für die USA und die Weltwirtschaft gemacht. Selbst wenn die beiden Parteien jetzt schließlich eine Einigung erzielt haben, hat der chaotische Prozess Amerikas Ruf für Kompetenz untergraben. "Die Bilder sehen nicht gut aus." Christine Lagarde, die Chefin der Europäischen Zentralbank, war noch offener, als sie die Aussicht auf eine "große, große Katastrophe" bezeichnete. Der deutsche Finanzminister Christian Lindner schlug unverblümt vor, dass amerikanische Politiker einfach erwachsen werden müssten. Wenn deine Freunde dir sagen, du sollst erwachsen werden, fragst du dich, was deine Feinde denken. Es herrscht Bestürzung darüber, wie schlecht Amerika diese Haushaltsrunde handhabt.
Der Streit hat sich bereits direkt auf die nationalen Sicherheitsinteressen Amerikas ausgewirkt. Letzte Woche brach Präsident Biden seine Reise nach Asien ab, um sich auf die Verhandlungen zu konzentrieren und ließ geplante Besuche in Australien und Papua-Neuguinea aus. Die Änderung der Reiseroute löste vernichtende Kommentare aus. Die "Stupserei" spiele China direkt in die Hände. Australien – ein wichtiger Verbündeter der USA – hatte während der Reise von Biden in die sogenannten Quad-Länder (Indien, Japan, die USA und Australien) ein Treffen geplant, um die regionale Sicherheit zu besprechen. Man kann sich kaum vorstellen, dass Peking das Spektakel genießt, wenn seine regionalen Gegner ihren Gipfel neu arrangieren, weil die Innenpolitik der USA dazwischenkommt.
Damit kommet der vielleicht größte Grund zur Besorgnis unter den europäischen Verbündeten Amerikas hervor – einer wachsenden Uneinigkeit darüber, wie man am besten mit China umgehen soll. Während Washington einen zunehmend restriktiven Ton anschlägt, hat Europa das Gefühl, dass es möglicherweise seinen eigenen Weg finden muss. Die Europäer wollen Washington nicht verärgern, sind aber auch nicht davon überzeugt, dass ihre Sicherheits- oder Wirtschaftsprioritäten mit denen Amerikas übereinstimmen. Der Handel zwischen Deutschland und China stieg im vergangenen Jahr auf ein Rekordniveau und festigte China als Deutschlands größten Handelspartner. Einige europäische Staats- und Regierungschefs betonen lautstark, dass sie sich nicht dazu drängen lassen wollen, sich für eine Seite zu entscheiden.
Als Präsident Emanuel Macron im April in Begleitung einer Schar französischer Wirtschaftsführer nach Peking reiste, äußerte er diese Ambivalenz – insbesondere in Bezug auf die heikle Frage Taiwan. "Das Paradoxe wäre, dass wir, von Panik überwältigt, glauben, wir seien nur Amerikas Anhänger", sagte er der Nachrichtenseite Politico. "Die Frage, die die Europäer beantworten müssen … liegt es in unserem Interesse, eine Krise in Taiwan zu beschleunigen? Nein." Diese Diverenz hat zu einigen Auseinandersetzungen mit US-Politikern geführt. Während die Wahlen 2024 näher rückten, gibt es kaum Anzeichen dafür, dass die Republikaner oder die Demokraten ihre Haltung gegenüber China abschwächen werden.
Amerikanische Wahlen werden immer genau beobachtet, sowohl von Gegnern als auch von Verbündeten. Die globalen Folgen sind enorm. Die meisten Verbündeten würden sagen, sie wollen kompetente, stabile und engagierte USA. Aber der möglicherweise katastrophaler Kampf um die Schuldenobergrenze, eine mögliche Verschiebung der Kriegsanstrengungen in der Ukraine, die Möglichkeit einer zweiten turbulenten Trump-Präsidentschaft und Differenzen über China scheinen nicht in diese Richtung zu deuten.
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