Der Inhalt des vom Außenministerium veröffentlichten Papiers:
- Waffenstillstand: "Alle Parteien sollten Russland und die Ukraine unterstützen, in die gleiche Richtung zu arbeiten und letztendlich einen umfassenden Waffenstillstand zu erreichen", heißt es.
- Zurückhaltung: "Alle Parteien müssen rational bleiben, Zurückhaltung üben und vermeiden, die Flammen anzufachen, und verhindern, dass sich die Krise weiter verschlechtert oder sogar außer Kontrolle gerät." Mit dieser Argumentation wendet sich China gemeinhin immer gegen Waffenlieferungen des Westens an die Ukraine.
- Unantastbarkeit: Zu Beginn des Papiers fordert China, dass die Grundsätze der Vereinten Nationen streng beachtet werden müssten. "Die Souveränität, Unabhängigkeit und territoriale Integrität aller Länder muss wirksam aufrechterhalten werden." Dass sich Russland dafür zurückziehen müsste oder was mit russischen besetzten Gebieten geschehen soll, wurde nicht thematisiert.
- Sicherheit: Das Dokument bekräftigt, dass die "legitimen Sicherheitsinteressen aller Länder ernst genommen" werden müssten. Dahinter sehen Diplomaten einen Hinweis auf Russlands Argumentation, sich gegen die USA und die Nato verteidigen zu müssen. Die "Mentalität des Kalten Krieges" müsse beendet werden, argumentiert China ähnlich weiter. Die Sicherheit eines Landes solle nicht auf Kosten anderer gehen. "Block-Konfrontation" müsse vermieden werden - ein Vorwurf, den China meist gegen die USA erhebt. Ohne die Nato zu nennen, argumentiert das Papier, die Sicherheit einer Region solle nicht durch die Stärkung oder Ausweitung militärischer Blöcke erreicht werden.
- Atomgefahr: "Atomwaffen dürfen nicht eingesetzt werden, und Atomkriege dürfen nicht ausgefochten werden." Auch die Drohung mit dem Einsatz nuklearer Waffen sei abzulehnen - eine Formulierung, die sich indirekt gegen Moskau richten könnte.
- Sanktionen: Entschieden fordert China ein Ende der Sanktionen gegen Russland, "die nur neue Probleme schaffen". "China lehnt einseitige Sanktionen ab, die nicht vom UN-Sicherheitsrat autorisiert sind." In dem höchsten UN-Gremium sitzen Russland und China als Vetomächte, sie können also jedwede Sanktionen verhindern.
Das Dokument ist als "Position Chinas zur politischen Lösung der Ukraine-Krise" überschrieben. Diplomaten in Peking waren allerdings vorsichtig, die Vorschläge als "neue Friedensinitiative" oder "Friedensplan" zu beschreiben. Es wurde auf die Nähe Chinas zu Russland verwiesen. Seit Beginn der Invasion hat China dem russischen Präsidenten Wladimir Putin immer Rückendeckung gegeben und die USA und die Nato als eigentliche Verursacher der Krise beschrieben.
Eine Journalistenfrage, warum Russland nicht aufgerufen wird, seine Truppen zurückzuziehen, beantwortete Außenamtssprecher Wang Wenbin nicht. Eine Vermittlungsmission stellte er auch nicht in Aussicht. Er sprach nur von "einer konstruktive Rolle" Chinas, das von dem Positionspapier ausgehend mit dem Rest der Welt zusammenarbeiten wolle. Experten sahen in dem Papier eher den Versuch Chinas, sein - wegen der Unterstützung Russlands - ramponiertes Image zu reparieren. "Wir stehen für Frieden und Dialog auf der richtigen Seite der Geschichte", sagte der Außenamtssprecher denn auch.
Die Ukraine lehnte das chinesische Positionspapier ab. "Jeder "Friedensplan", der nur einen "Waffenstillstand" und infolge dessen eine neue Trennlinie und die Besetzung von Gebieten vorsieht, handelt nicht von Frieden", schrieb der Berater im Präsidentenbüro, Mychajlo Podoljak, am Freitag auf Twitter. Es handele sich vielmehr um ein "Einfrieren des Krieges", um "nächste Etappen des Völkermords". Die Ukraine bestehe unverändert auf einen Abzug der russischen Truppen und ihre international anerkannten Grenzen von 1991.
Außenministerin Annalena Baerbock kritisierte das chinesische Positionspapier. "Wer von Frieden spricht, darf nicht Unterwerfung meinen. Wer Aggressor und Opfer gleichsetzt, schafft keinen Frieden, sondern belohnt Gewalt", sagte die Grünen-Politikerin am Freitag am Rande einer Sitzung des UN-Sicherheitsrats. "Das wäre der Weg in eine andere Weltordnung, wo das Recht des Stärkeren gilt." Die Bundesregierung werde alles dafür tun, die Friedensordnung der UN-Charta zu erhalten. "Sonst kann kein kleines Land in Zukunft noch in Sicherheit leben", sagte die deutsche Außenministerin.
Eine Sprecherin der EU-Kommission sagte in Brüssel, Chinas Position beruhe auf einem falschen Fokus auf den sogenannten legitimen Sicherheitsinteressen der Parteien, die eine Rechtfertigung der illegalen Invasion Russlands implizierten. Zwar betone das Papier bestimmte Grundsätze der UN-Charta, sei mit Blick auf ihre Auswirkungen auf den Krieg jedoch selektiv und unzureichend. Jeder bedeutsame Friedensvorschlag müsse mit der gesamten UN-Charta vereinbar sein. "In dem Positionspapier wird nicht berücksichtigt, wer der Aggressor und wer das Opfer eines illegalen, ungerechtfertigten Angriffskrieges ist", sagte die Sprecherin.
In Pekings Papier stehe nichts Neues, sagte der China-Experte Manoj Kewalramani von der US-Denkfabrik Center for Strategic International Studies (CSIS). Die zwölf Punkte seien Teil bekannter chinesischer Positionen. China betrachte den Konflikt "als Produkt einer, wie es sagt, Mentalität des Kalten Krieges und einer veralteten europäischen Sicherheitsarchitektur". Es scheine in Peking sehr wenig Interesse zu geben, in irgendeine Art von Friedensprozess verwickelt zu werden. "Das Dokument deutet an, dass Peking möchte, dass sich Friedensgespräche lieber um eine neue europäische Sicherheitsarchitektur drehen als über den Krieg selbst."
Der Experte Joachim Krause nannte Chinas Papier "substanzlos". "Das ist kein Friedensplan, sondern die Auflistung allgemeiner Prinzipien des Völkerrechts und der Diplomatie, an die sich China selber nicht hält und deren Verstöße durch Russland für Peking offenkundig kein Problem darstellen", sagte der Direktor des Kieler Universitätsinstituts für Sicherheitspolitik dem Nachrichtenportal t-online. China stelle sich "in der Bewertung der Ursachen und der Treiber des Krieges offen auf die Seite Russlands".
agenturen/pclmedia