
Erdogan kommt an diesem Freitag nach Berlin. Außer mit dem Kanzler wird er mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zusammentreffen. Nach dem Terrorangriff auf Israel mit rund 1200 Toten nannte Erdogan die islamistische Hamas "eine Befreiungsorganisation". Er brach nach eigenen Worten den Kontakt zu Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu ab. Angesichts der Bombardierung des Gazastreifens durch Israel sprach Erdogan von "Faschismus".
Die Türkei sei bei einer ganzen Reihe von Themen ein wichtiger Faktor, sagte Hebestreit. Es gehe darum, in diesen Fragen voranzukommen. Unter den aktuellen Umständen werde der Besuch auch "herausfordernd" sein.
Kanzler Olaf Scholz (SPD) muss nach Ansicht von CSU-Chef Markus Söder mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip ein neues Abkommen zur Senkung der Flüchtlingszahlen aushandeln. "Wir erwarten uns vom Bundeskanzler bei dem anstehenden Besuch von dem türkischen Präsidenten Klartext, Klartext in der Sache, aber auch klare Ergebnisse", so der bayerische Ministerpräsident nach der CSU-Vorstandssitzung in München. Scholz müsse mit Erdogan am Freitag auch über dessen Äußerungen zur Rolle der Hamas im Krieg mit Israel sprechen.
"Es braucht einen neuen Türkei-Deal, aber auch nicht einfach um jeden Preis, sondern auch mit einem klaren Bekenntnis zu den Positionen, die für uns wichtig sind", betonte Söder.
Deutschland, die Nato und die EU brauchen die Türkei bei der Steuerung der Zuwanderung nach Europa. In dem Gespräch zwischen Scholz und Erdogan wird es unter anderem um eine Wiederbelebung des EU-Türkei-Abkommen zur Unterbringung von Flüchtlingen in der Türkei gehen. Umgekehrt müsse die Bundesregierung auch die Versprechen, die Deutschland bislang gemacht habe, einhalten, sagte Söder.
Erdogan Besuch sorgt auch für Kritik im Bundestag. Die Außenexpertin Sevim Dagdelen forderte Scholz auf, den Präsidenten wieder auszuladen. "Erdogans Besuch und Empfang in Deutschland kommen zur Unzeit", sagte die Bundestagsabgeordnete. Die Bundesregierung dürfe "Erdogan nicht den Roten Teppich ausrollen, während der türkische Staatschef die Terrororganisation Hamas schönredet und Israel das Existenzrecht abspricht", sagte Dagdelen. Der "militante Islamismus" dürfe nicht "aus falsch verstandener Rücksicht hofiert werden", sagte sie.
Ähnlich äußerte sich der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Michael Roth (SPD). Erdogan füge seinem Land schweren Schaden zu, weil er mit seiner provozierenden, beleidigenden und populistischen Art der Bedeutung der Türkei als Brücke zwischen Europa und dem Nahen Osten nicht gerecht werde, sagte er. "Zuletzt hat er durch ungeheuerliche und infame Tiraden gegen Israel und seine Verteidigung des Hamas-Terrors abermals Öl ins Feuer eines brandgefährlichen Konflikts gegossen."
Der SPD-Politiker fuhr jedoch fort: "Es wäre unklug, in dieser dramatischen Lage nicht alle Kontakte zu nutzen. Der Besuch ist also richtig. Wenn wir nur mit denjenigen sprechen wollen, die uns in all ihren Interessen und Positionen genehm sind, werden wir wenig erreichen." Nur sei Nachsicht im Umgang mit autoritären Herrschern wenig erfolgversprechend, betonte Roth. "Deshalb sollte für Erdogans Besuch in Berlin gelten: wenig Lametta, viel Klartext."