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Ungeachtet des Kriegs gegen die russischen Invasoren will der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj den Ausbau der Wirtschaft seines Landes nicht aus den Augen verlieren. Bei Besuchen in den Regionen Dnipro, Tscherkassy und Kropywnyzkyj habe er mit Vertretern der regionalen Behörden nicht nur über die Stärkung des Militärs, sondern auch über wichtige wirtschaftliche Fragen gesprochen, berichtete Selenskyj in seiner allabendlichen Videoansprache. "Der Staat muss die Erholung der ukrainischen Produktion unterstützen", sagte er.

Im Schutz des dichten Nebels setzten die ersten ukrainischen Marinesoldaten in schwarzen Schlauchbooten vor einigen Tagen auf die linke Uferseite des Dnipro über. Wie eine natürliche Grenze trennt der Fluss den von Russland besetzten Teil Chersons vom Rest der Region. Die Anlandung blieb von den Russen offenbar zunächst unbemerkt, weil die ukrainischen Soldaten Störsender einsetzten. So konnten sie immer mehr Kräfte auf die andere Seite bringen. Beobachter gehen von der Größe eines Bataillons aus, also etwa 500 Soldaten.

Ein Scharfschütze des ukrainischen Inlandsgeheimdienstes SBU soll einen neuen Rekord aufgestellt haben. Wie lokale Medien am Wochenende berichteten, habe der Scharfschütze einen russischen Soldaten aus einer Entfernung von 3,8 Kilometern getroffen. Der Schuss soll von einem Spezialagenten mit einem Gewehr namens "Volodar Obriyu" ("Herr des Horizonts") abgefeuert worden sein. Das Scharfschützengewehr ist den Medienberichten zufolge von einer ukrainischen Firma unter Beteiligung eines amerikanischen und eines britischen Unternehmens selbst entwickelt worden. Die Angaben ließen sich zunächst nicht unabhängig prüfen.

Die ukrainische Armee teilte am Sonntag mit, sie habe die russischen Streitkräfte "drei bis acht Kilometer" vom Ufer des Flusses Dnipro zurückgedrängt. Sollte dies bestätigt werden, wäre dies der erste nennenswerte Vormarsch der Kiewer Streitkräfte Monate nach Beginn einer enttäuschenden Gegenoffensive. "Vorläufige Zahlen schwanken zwischen drei und acht Kilometern, abhängig von den Besonderheiten, der Geographie und der Landschaftsgestaltung des linken Ufers", sagte Armeesprecherin Natalja Gumenjuk gegenüber dem ukrainischen Fernsehen, ohne anzugeben, ob das ukrainische Militär die vollständige Kontrolle über das Gebiet habe oder ob die Russen sich zurückgezogen hatten.

Seit der illegalen Annexion der besetzten ukrainischen Gebiete versucht Russland dort, die ukrainische Identität systematisch auszuradieren. Russisch ist zur offiziellen Amtssprache in sämtlichen Behörden geworden. An die Einwohner werden russische Pässe ausgestellt. Ohne diese Ausweisdokumente bleibt ihnen unter anderem der Zugang zur medizinischen Versorgung verwehrt. Dieser Russifizierungs-Prozess fand auch in Cherson statt, bevor die Stadt zurückerobert wurde. Alexander Samoilenko, der Vorsitzende des Regionalrats von Cherson, erzählt von dem Vorgehen der russischen Besatzer: "Der Auftrag der Russen war es, die Existenz des ukrainischen Staates hier in Cherson auszuradieren."

Nach Einschätzung des britischen Verteidigungsministeriums erzielen weder Russland noch die Ukraine bei ihren Kämpfen erhebliche Fortschritte. "Mit Einsetzen des kälteren Winterwetters in der Ostukraine gibt es nur wenige unmittelbare Aussichten auf größere Veränderungen an der Frontlinie", teilte das Ministerium in London in seinem täglichen Update mit. In seinem täglichen Bericht stellt das britische Verteidigungsministerium fest, dass die russischen Streitkräfte bei den Kämpfen um Avdiivka "besonders schwere Verluste" erleiden, einem von drei Gebieten, in denen schwere Bodenkämpfe stattfinden.

Die ukrainischen Streitkräfte erklärten, sie hätten "erfolgreiche Aktionen" am Ostufer des Flusses Dnipro durchgeführt. Seit dem Abzug der russischen Truppen aus der Region Cherson im vergangenen November ist der Fluss de facto die Frontlinie in der Südukraine. Berichte dieser Woche deuteten darauf hin, dass die Ukraine auf der Ostseite Fuß gefasst hatte, und am Mittwoch bestätigte der von Russland eingesetzte Gouverneur der Region Cherson die Anwesenheit ukrainischer Streitkräfte im Dorf Krynki.