
Heinz Alfred Kissinger wurde 1923 in Franken geboren. Er war 15 Jahre alt, als seine jüdischen Eltern mit ihm nach New York flüchteten. Seine deutschen Wurzeln verlor Kissinger niemals aus dem Blick, mehrfach besuchte er seine Heimatstadt Fürth. Sein Aufstieg erinnert an die Idee des amerikanischen Traums: Nach Schule und Militärzeit studierte Kissinger in Harvard; später lehrte er dort. 1969 berief ihn der damalige Präsident Richard Nixon zum Sicherheitsberater, später zum Außenminister. In Sachen Außenpolitik war er der einflussreichste Politiker in Washington.
Ein bedeutender Meilenstein in seiner Karrie war die Vorbereitung der Reise Nixons nach China. In geheimer Mission reiste Kissinger nach Peking, ebnete den Weg für einen Besuch Nixons und die Normalisierung der Beziehung. Kissinger wurde der gefeierte Architekt der amerikanisch-chinesischen Annäherung. Damit endeten seine diplomatischen Erfolge nicht. Kissinger handelte Abrüstungsverträge und Friedensabkommen aus und wurde zum Medienstar.
Kritiker hingegen sehen in dem Außenpolitiker einen reinen Machtpolitiker. Mehr als fragwürdig ist die Rolle, die er bei der geheimen Bombardierung Kambodschas spielte. Schwer wiegen auch die Vorwürfe wegen seiner Rolle beim Militärputsch 1973 in Chile. Kissinger musste sich auch immer wieder die Frage gefallen lassen, ob er wirklich auf die Beendigung des Vietnam-Kriegs gedrungen und ihn nicht eher, um Nixons Wahlchancen zu steigern, unnötig verlängert hat.
Kissinger hat sich auch nach seiner Zeit in Washington weiter in die Weltpolitik eingemischt - beriet etwa den damaligen Präsidenten George W. Bush. Auch im hohen Alter äußerte er sich noch in Interviews und als Redner zu internationalen Themen. Seinen Kritikern kam er dabei keinen Schritt entgegen.
Der Friedensnobelpreisträger von 1973 erinnerte kurz vor seinem 100. Geburtstag im Mai in der Wochenzeitung "Die Zeit" daran, dass er schon 2014 Zweifel am Vorhaben geäußert habe, "die Ukraine einzuladen, der Nato beizutreten". Kissinger fügte hinzu: "Damit begann eine Reihe von Ereignissen, die in dem Krieg kulminiert sind." Kissinger sprach in dem Interview von einem "höchst rücksichtslosen" Angriffskrieg Russlands unter Präsident Wladimir Putin. "Der Krieg selbst und die Kriegsführung sind höchst rücksichtslos, der Angriff muss zurückgeschlagen werden, und ich befürworte den Widerstand der Ukrainer und des Westens."
Russland dürfe nicht gewinnen. Er sei aber weiterhin der Auffassung, "dass es nicht weise war, die Aufnahme aller Länder des ehemaligen Ostblocks in die Nato mit der Einladung an die Ukraine zu verbinden, ebenfalls der Nato beizutreten".
Damals sei er der Meinung gewesen, "dass die Ukraine am besten neutral geblieben wäre, mit einem Status ähnlich wie seinerzeit Finnland". Inzwischen spricht er sich jedoch dafür aus, dass die Ukraine nach Kriegsende ins westliche Militärbündnis kommt. "Heute bin ich absolut dafür, die Ukraine nach dem Ende des Krieges in die Nato aufzunehmen. Jetzt, da es keine neutralen Zonen mehr zwischen der Nato und Russland gibt, ist es besser für den Westen, die Ukraine in die Nato aufzunehmen." Auch Finnland gehört inzwischen zur Nato.
Zuletzt kritisierte er Deutschland. Die pro-palästinensischen Feierlichkeiten zum Hamas-Angriff auf Israel in Berlin seien ein Hinweis darauf, dass Deutschland zu viele Ausländer ins Land gelassen habe, sagte Henry Kissinger. "Es war ein schwerer Fehler, so viele Menschen völlig unterschiedlicher Kultur, Religion und Konzepte aufzunehmen, weil dadurch in jedem Land eine Interessengruppe entsteht, die das tut", sagte der ehemalige US-Außenminister in einem Interview. Er fügte hinzu, dass es "schmerzhaft" sei, Menschen in Berlin den Angriff der Hamas auf Israel feiern zu sehen.
Kissinger sagte, die "Aggression" der Hamas müsse mit "einer gewissen Strafe" beantwortet werden und warnte vor der Möglichkeit einer gefährlichen Eskalation in der Region. "Der Nahostkonflikt birgt die Gefahr, zu eskalieren und andere arabische Länder unter den Druck ihrer öffentlichen Meinung zu bringen", sagte Kissinger. Anschließend verwies er auf den Jom-Kippur-Krieg von 1973, in dessen Verlauf eine von Ägypten und Syrien angeführte arabische Koalition Israel angriff. Es sei auch "möglich", dass Israel gegen den Iran vorgehen könnte, wenn es davon ausgeht, dass Teheran an dem Angriff beteiligt war, fügte Kissinger hinzu.