
Das "Bündnis Sahra Wagenknecht" hätte laut Umfragen großes Wählerpotenzial. Ob sie es ausschöpft, ist schwer abzuschätzen, zumal Programm und Personal der künftigen Partei offen sind. Die Linke lag zuletzt in Umfragen bei etwa 4 Prozent. Sie macht sich Hoffnung auf ein Comeback nach dem Ende des Dauerstreits mit Wagenknecht.
Für die Linksfraktion mit zuletzt 38 Mitgliedern ist die Spaltung ein Problem: Ohne Wagenknecht und ihre Mitstreiter reicht es nicht mehr für die Mindestgröße von 37 Mandatsträgern. Als Gruppe hätten die Parlamentarier weniger Rechte als in einer Fraktion. Zudem gäbe es weniger staatliche Unterstützung. Viele der mehr als 100 Mitarbeiter der Fraktion könnten wohl nicht übernommen werden. Um kurzfristige Entlassungen zu vermeiden, haben Wagenknecht und deren Unterstützer beantragt, vorerst in der Fraktion zu bleiben.
Das dürfte jedoch von kurzer Dauer sein, denn politisch ist das Tischtuch zwischen beiden Seiten zerschnitten. "Für mich ist vollkommen klar, dass dies natürlich kein haltbarer Zustand ist", sagte Parteichefin Janine Wissler am Montag. "Wir müssen den Übergang jetzt so schnell wie möglich hinkriegen." Ihre Fraktionskollegin Susanne Ferschl sagte: "Die Fraktion ist letztlich tot."
Nun geht es darum, wann und wie die Entscheidung zur Auflösung der Fraktion getroffen wird. Faktisch wären die Würfel gefallen, wenn die Mehrheit der Fraktion die Anträge von Wagenknecht und ihren Unterstützern auf Verbleib ablehnt. Das könnte bereits an diesem Dienstag passieren, wahrscheinlicher ist jedoch ein Votum am 14. November. Die Parteispitze möchte das Thema gerne abräumen, bevor der Europaparteitag am 17. November in Augsburg beginnt.
Der ehemalige Parteivorsitzende Bernd Riexinger sagte vor einigen Tagen dem Redaktionsnetzwerk Deutschland: "Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass wir Leute, die so spalten, wieder in die Fraktion aufnehmen, damit sie dann im Januar mit einem großen Paukenschlag erneut aus der Fraktion austreten können. Das
wäre aberwitzig."
Fraktionschef Dietmar Bartsch hatte angekündigt, die Linksfraktion werde "souverän und in großer Ruhe darüber entscheiden". An Wagenknechts Parteiprojekt übt Bartsch heftige Kritik und nennt es einen politischen Wettbewerber. Die künftige Wagenknecht-Partei soll bei der Europawahl 2024 antreten. Offen ist, ob sie auch bei den Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen nächstes Jahr an den Start geht.