EU-Ratschef Charles Michel hat 2030 als Zieldatum zumindest für einige dieser Staaten gebracht. Die EU-Staats- und Regierungschefs haben festgehalten, dass die ohnehin schwerfällige EU gleichzeitig reformiert werden muss.
Außenministerin Annalena Baerbock hat nun Vorschläge für solche Reformen gemacht – und deutlich gemacht, dass dies auch für Deutschland Verzicht bedeute. Es gebe dafür jetzt eine "historische Chance", weil die EU durch den Angriff Russlands auf die Ukraine erkannt habe, dass ihre Erweiterung geopolitisch notwendig sei, sagte sie bei einer Außenministerkonferenz in Berlin. "Wir können uns in Europa keine Grauzonen mehr leisten", sagte Baerbock. Diese würden sonst von Russland genutzt, um Europa zu schwächen.
Um die EU auch mit mehr Mitgliedern handlungsfähig zu halten, müsse das Einstimmigkeitsprinzip "von der Finanzpolitik bis zur Außenpolitik" durch die Möglichkeit von Mehrheitsentscheidungen ersetzt werden. Wenn über 30 Mitgliedsstaaten Entscheidungen per Veto blockieren könnten, werde die EU unbeherrschbar. Damit kein Staat dabei übersehen werde, könne über mittels einer Art "Gelben Karte" die Forderung nach weiteren Beratungen eingeräumt werden. Die Rote Karte mit Veto-Wirkung solle auf wenige Ausnahmefälle begrenzt werden.
Nötig sei es zudem, die Größe von EU-Kommission und Europäischem Parlament zu beschränken. Man könne beide Einrichtungen "nicht einfach immer größer werden lassen". Es könne künftig nicht jeder Mitgliedsstaat einen Kommissarsposten erhalten. Denkbar sei, dass manche Zuständigkeitsbereiche von mehreren Ländern im Team geführt würden. Auch Deutschland müsse bereit sein, auch mal auf Kommissarsposten zu verzichten.
Zudem müssten die Zuständigkeiten der verschiedenen EU-Institutionen besser geklärt werden, etwa für die außenpolitische Vertretung. Hier treten derzeit neben dem Außenbeauftragten der EU, auch Kommissionspräsidentin und Ratspräsident auf. Wichtig sei auch, dass die EU schneller reagieren könne, wenn Mitgliedsstaaten wiederholt die europäischen Prinzipien verletzten. Dies dürfte auf Ungarn anspielen, gegen das die EU ein langwieriges Verfahren wegen Verletzung rechtsstaatlicher Prinzipien eingeleitet hat. Für all diese Pläne müsse sich die EU einen Fahrplan geben.
Den Beitrittskandidaten müsse man zudem schon auf dem Weg in die EU Zugänge ermöglichen, um Frustration zu verhindern. Es dürften "nicht nochmal ganze Generationen im Warteraum der EU verbringen", sagte Baerbock unter Verweis auf die Westbalkan-Länder. Schon jetzt könnten Studenten aus Serbien, Nordmazedonien und der Türkei an Erasmus-Austauschprogrammen teilnehmen. Künftig sollte Beitrittskandidaten auch die Möglichkeit eröffnet werden am einheitlichen Roaming für Mobilfunk teilzunehmen und Visaverfahren erleichtert werden, wenn Reformfortschritte sichtbar würden. Denkbar sei es auch, Kandidatenländer dann als Beobachter zu EU-Ratssitzungen einzuladen.
Länder die der EU beitreten wollten, müssten deren Bedingungen erfüllen, betonte Baerbock: "Rabatte wird es im Beitrittsprozess nicht geben." Baerbock sagte, die Reformen seien nicht einfach, zum Teil handele es sich um ein "politisches Minenfeld". Allerdings sei es sinnvoller, die Aufgaben anzugehen, als sie denjenigen zu überlassen, "die unsere Werte nicht teilen". Die EU werde dadurch stärker werden.
Der ukrainische Außenminister Dimitrij Kuleba warnte, die EU-internen Reformen dürften nicht genutzt werden, um den Beitritt interessierter Länder zu verzögern. Es bestehe die Gefahr, dass aus Frustration über lange Prozesse die EU-Begeisterung seiner Landsleute schwinde. "Das ist mein Alptraum", sagte Kuleba.