Danach sollte das sogenannte Containern nur noch bestraft werden, wenn ein Hausfriedensbruch vorliegt, "der über die Überwindung eines physischen Hindernisses ohne Entfaltung eines wesentlichen Aufwands hinausgeht oder gleichzeitig den Tatbestand der Sachbeschädigung erfüllt". Mit anderen Worten: Wer über eine niedrige Mauer steigt, um an den Abfallcontainer des Supermarktes zu gelangen und Lebensmittel mitnimmt, soll dafür nicht wegen Diebstahls belangt werden. Wer auf der Suche nach noch verzehrfähigen Lebensmitteln ein Tor aufhebelt und beschädigt, müsste dagegen weiterhin mit einer Strafe rechnen.
"Wenn sich Menschen weggeworfene Lebensmittel mit nach Hause nehmen, ohne dabei eine Sachbeschädigung oder einen Hausfriedensbruch zu begehen, dann muss das nach meiner Meinung nicht weiter strafrechtlich verfolgt werden", sagte Buschmann. Özdemir sagte, die Änderungen bei den Richtlinien zum Verfahrensrecht könnten einer von vielen Bausteinen im Kampf gegen Lebensmittelverschwendung sein - "hier können auch die Bundesländer einen konkreten Beitrag leisten".
Laut Bundeslandwirtschaftsministerium werden jedes Jahr in Deutschland rund elf Millionen Tonnen Lebensmittel entsorgt. Jeder Verbraucher in Deutschland wirft demnach im Schnitt 78 Kilogramm pro Jahr weg. Das sind 59 Prozent der Lebensmittelabfälle. Etwa 17 Prozent der Lebensmittel werden in Restaurants, Kantinen und bei anderen Formen der Außer-Haus-Verpflegung weggeworfen. Bei der Verarbeitung gehen laut Ministerium rund 1,6 Millionen Tonnen verloren, etwa durch fehlerhafte Verpackungen, das sind 15 Prozent der Lebensmittel. Im Handel entstehen demnach sieben Prozent der Lebensmittelabfälle, etwa durch zu große Bestellmengen, die nicht vollständig verkauft werden. Der Schwund, der in der Landwirtschaft entsteht, etwa bei der Lagerung oder durch Schlachtabfälle, macht demzufolge rund zwei Prozent aus.
Rolf Sommer vom WWF Deutschland sagt: "Die Legalisierung des Containerns ist ein guter Schritt, aber damit packt die Bundesregierung das Problem Lebensmittelverschwendung nicht an der Wurzel an." Was am Ende in der Tonne lande, werde nur besser verteilt. Besser wäre eine gesetzlich verankerte Pflicht zur Reduzierung von Lebensmittelabfällen - für alle Wirtschaftsbeteiligten auf allen Herstellungs- und Vertriebsebenen.
Auch Rezzo Schlauch, der sich als Anwalt 2020 für zwei junge Tübinger eingesetzt hatte, die beim Containern erwischt worden waren, kritisierte den Vorstoß als nicht weitgehend genug. Er sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Das halte ich für halbgar, wenn man da einen klaren Schnitt machen will, muss man die Strafbarkeit von Containern aufheben." Die Klimaaktivisten der Gruppe "Letzte Generation" hatten im vergangenen Jahr Straßen mit der Begründung blockiert, sie wollten Druck auf die Bundesregierung ausüben, damit diese ein "Essen-Retten-Gesetz" auf den Weg bringe.
Das Bundeskabinett hatte kurz vor Weihnachten einen Gesetzentwurf von Buschmann zum Sanktionenrecht beschlossen, der unter anderem eine kürzere Haft bei nicht bezahlter Geldstrafe vorsieht. Über eine weitere Reform, bei der beispielsweise das Schwarzfahren von der Straftat zur Ordnungswidrigkeit herabgestuft werden könnte, hat die Regierung dagegen noch nicht entschieden. Im Zusammenhang mit einer geplanten allgemeinen Überprüfung einzelner Paragrafen des Strafgesetzbuches, die dem Vernehmen nach aber noch etliche Monate in Anspruch nehmen dürfte, könnte dann auch überlegt werden, ob zum Containern auch noch eine Änderung im Strafrecht kommen soll.
Eine solche Änderung ist im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP nicht explizit vorgesehen. Dort heißt es lediglich: "Wir werden gemeinsam mit allen Beteiligten die Lebensmittelverschwendung verbindlich branchenspezifisch reduzieren, haftungsrechtliche Fragen klären und steuerrechtliche Erleichterung für Spenden ermöglichen."
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