Zuvor hatte er sich so richtig in Rage geredet: Es könne nicht sein, "dass in einer Fortschrittskoalition nur ein Koalitionspartner für den Fortschritt verantwortlich ist und die anderen für die Verhinderung von Fortschritt." Die Koalitionspartner reagierten verstimmt. Tatsächlich haben sich aber vor allem Grüne und FDP bei einer Reihe Vorhaben inhaltlich verhakt - auch wenn es im persönlichen Miteinander laut Habeck keine Probleme gibt. "Wir können die Dinge ruhig und quasi ganz normal bereden, aber wir kriegen sie halt nicht über die politische Ziellinie gebracht", sagte er. Zu sehr schaue man auf die nächsten Wahlen, den nächsten Parteitag.
Die Grundidee ist in der Koalition eigentlich längst vereinbart: Ab 2024 sollen möglichst nur noch solche Heizungen neu eingebaut werden, die zu mindestens 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden. De facto bedeutet das ein Aus für konventionelle Öl- und Gasheizungen. Habeck goss das in einen Gesetzentwurf, der vorzeitig durchsickerte und heiße Debatten auslöste. SPD und FDP betonen beide, Hausbesitzer und Mieter dürften nicht überfordert werden. Das sieht Habeck im Grunde genauso: Er verspricht großzügige, sozial gestaffelte Förderprogramme, über die er mit Finanzminister Christian Lindner (FDP) aber wohl noch sprechen muss.
Eine Lösung des Konflikts könnte in Übergangs- und Härtefallregelungen liegen, für die sich Habeck auch offen zeigt. Die SPD betonte zuletzt, das Ganze müsse auch praktisch machbar sein. Man müsse also berücksichtigen, wie viele Wärmepumpen und Alternativen es im kommenden Jahr überhaupt gebe und wie viele Handwerker zur Verfügung stünden. Seit Monaten streitet die Koalition, ob nur Bahnstrecken und Brücken schneller gebaut werden sollen oder auch Autobahnen. Letzteres will die FDP. Ihr Argument: Der Güterverkehr auf der Straße werde deutlich zunehmen, Staus müssten verhindert werden. Die Grünen lehnen einen schnelleren Ausbau von Autobahnen kategorisch ab.
Als Kompromiss denkbar ist eine Einigung auf ausgewählte Projekte, die bevorzugt behandelt werden sollen - etwa Strecken, die schon jetzt so überlastet sind, dass es ständig Stau gibt. Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) hat eine Liste mit 144 dieser Engpass-Projekte vorgelegt. Die SPD schlägt dem Vernehmen nach nun vor, diese Liste noch einmal zu kürzen auf die Projekte mit dem größten Kosten-Nutzen-Faktor. Die Grünen kritisierten zuletzt, mit der Sanierung von Autobahnen binde man wichtiges Personal, das dann bei der Arbeit an Schienen und Brücken fehle. Auch Umweltverbände machen Front gegen einen schnelleren Autobahnbau.
Ihre Klimaziele im Verkehr hat die Bundesregierung gerade wieder gerissen, im Vergleich zum Vorjahr stieg der Treibhausgas-Ausstoß sogar. Besonders die Grünen, aber auch die SPD machen deshalb jetzt Druck auf Verkehrsminister Wissing. Er schulde seit vielen Monaten ein Sofortprogramm mit ausreichend Maßnahmen, die den CO2-Ausstoß im Verkehr dauerhaft senkten. Die FDP lehnt Vorschläge wie ein generelles Tempolimit auf deutschen Autobahnen und den Abbau bestimmter Subventionen bislang kategorisch ab. Stattdessen pocht sie darauf, dass in der EU auch nach 2035 noch Verbrenner zugelassen werden dürfen, die mit Ökostrom erzeugte künstliche Kraftstoffe tanken.
Ab 2025 soll die Kindergrundsicherung die staatlichen Leistungen für Familien und Kinder bündeln. Umstritten ist in der Koalition weiterhin, was alles dazugehören soll. Familienministerin Lisa Paus (Grüne) will eine Aufstockung, weil die bisherigen Hilfen ihrer Meinung nach Kinderarmut nicht ausreichend bekämpfen. Sie hat deshalb einen Bedarf von zwölf Milliarden Euro angemeldet. Finanzminister Lindner hält aufstocken nicht für zwingend, weil die Koalition gerade das Kindergeld angehoben hat. Er will vor allem dafür sorgen, dass mehr Familien das ihnen zustehende Geld auch bekommen. Derzeit hält die Bürokratie viele offenkundig davon ab, einen Antrag zu stellen.
Dass die Koalitionsspitzen im Streit um die Ministeretats für das kommende Jahr den Knoten durchschlagen, ist angesichts der weiter großen Differenzen unwahrscheinlich. Möglich aber erscheint, dass man sich auf die Streichung einiger als klimaschädlich eingestufter staatlicher Subventionen einigt und dadurch mehr Spielraum für andere Ausgaben schafft.
Im Fokus stehen mehrere Zuschüsse, zinsverbilligte Kredite oder Steuervergünstigungen - und zwar solche, die Anreize dafür schaffen, etwas zu tun oder zu kaufen, das Umwelt und Klima schadet. Beispiele sind die Energiesteuervergünstigungen für Dieselkraftstoff und Kerosin, die Mehrwertsteuerbefreiung bei internationalen Flügen und der geringere Steuersatz auf Agrardiesel. Schon im Koalitionsvertrag hatten sich die Ampel-Parteien vorgenommen, durch den Abbau solcher Subventionen zusätzliche Haushaltsspielräume zu schaffen - passiert ist bisher jedoch nichts.
mit Material der dpa