Auch für den Kirchentag sei Energie verbraucht worden, für Leinwände, Licht, und die Anreise der Zehntausenden Besucher. Aber sei es darum besser, den Kirchentag nicht abzuhalten, fragte er. "Die Schuldfrage führt im Grunde dazu, dass man handlungs- und auch denkunfähig wird. Hätte ich keine vier Söhne haben sollen, weil dann der CO2-Ausstoß reduziert wäre? Das ist hoffnungslos", sagte der Minister. Die Frage müsse darum sein: "Wie schaffen wir Klimaneutralität unter den Bedingungen einer funktionierenden Gesellschaft?" Es sei wichtig, so viele Menschen wie möglich mitzunehmen auf dem Weg zu einem besseren Schutz des Klimas, sagte Habeck: Wenn Politik aufhöre, Menschen anzusprechen und mitzunehmen, nicht dafür arbeite, dass es Mehrheiten gebe, dann öffne das Raum für Populismus.
In diesem Zusammenhang räumte er auch kommunikative Versäumnisse in der Debatte um sein umstrittenes Heizungsgesetz an. Sein Ansatz sei anfangs "nicht durchgedrungen", räumte er ein. Aber inzwischen sei man "wieder auf einem Weg der Lösungsorientierung". Habeck betonte erneut: "Das ist ein entscheidendes Gesetz." Die Sprecherin der Letzten Generation, Carla Hinrichs, entgegnete auf Habecks Kritik im Rahmen einer Podiumsdiskussion: "Seit wann bewertet die Regierung den Protest gegen sich selber als richtig oder falsch?" Sie sagte, sie sehe große Widersprüche im Umgang mit ihr und ihrer Klimaaktivistengruppe. Die Ambivalenz, die "uns jungen Menschen, die friedlich für ihr Leben demonstrieren", entgegengebracht werde, sei gewaltig, "und die macht mir Angst", sagte sie.
Auf der einen Seite werde sie zum Kirchentag eingeladen, um dort mit Wirtschaftsminister Habeck zu diskutieren. Auf der anderen Seite seien aber "30 Polizeibeamte mit vorgehaltener Waffe in mein Zimmer" gestürmt. "Da saß ich dann mit zehn Beamten um mich rum in meinem Schlafanzug. Warum ich? Warum passiert das gerade?", habe sie sich gefragt. Ihre Antwort: "Man will nämlich meine Stimme nicht mehr hören müssen." Sie solle eingeschüchtert werden, sagte Hinrichs. "Darum standen diese Polizeibeamten in meinem Zimmer - weil ich protestiere."
Vor rund zwei Wochen hatten rund 170 Beamte bei einer Razzia gegen die Letzte Generation Wohnungen und Geschäftsräume in sieben Bundesländern durchsucht. Der Tatvorwurf gegen die Mitglieder der Gruppe, die immer wieder mit umstrittenen Klebeaktionen Schlagzeilen machen, lautet auf Bildung beziehungsweise Unterstützung einer kriminellen Vereinigung. Die Aktivisten bestreiten, kriminell zu sein, obwohl mehrere wegen Straftaten verurteilt wurden, teils zu Haftstrafen. Die Razzia wurde von vielen Seiten als übertrieben kritisiert. Die Gruppe beklagte, ihre Mitglieder fühlten sich wie "Schwerverbrecher behandelt".
Der Verdacht einer kriminellen Vereinigung habe die Polizei berechtigt, "eine Waffe auf mich zu richten, während ich in meinem Bett liege", sagte Hinrichs. Sie werde sich davon aber nicht abhalten lassen: "Ich kann nicht einfach zuschauen, wie alles den Bach runtergeht." Kurz vor der Diskussion hatten Mitglieder der Letzten Generation sich vor dem Nürnberger Hauptbahnhof auf der Straße festgeklebt. Zum Teil wurde der Asphalt um die acht Aktivisten herum herausgeschnitten, wie ein Polizeisprecher sagte. Auf Twitter schrieb die Klimaschutzgruppe zu dieser Aktion: "Nein und Amen."
Ohne Klebstoff kamen Umweltverbände mit einer Menschenkette in der Nürnberger Innenstadt aus, mit der sie mehr Anstrengungen für den Klimaschutz forderten. Vom Evangelischen Kirchentag solle ein starkes Zeichen ausgehen: "Wir wollen jetzt ernsthaften Klimaschutz und wir sind viele", hatte die Umweltbeauftragte des Dekanats, Ute Böhne, vorab mitgeteilt. Die Menschenkette verband am Freitag den Sebalder Platz in der Innenstadt mit der wenige Kilometer entfernten Zentrale eines Energieversorgers.
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