Ähnlich reagierte Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: "Es besorgt mich, dass die SPD offenbar nichts aus ihrer für Deutschland fatalen Russland-Politik gelernt hat. Ich warne davor, unser Land in die nächste Abhängigkeit zu führen", sagte die Grüne der "Welt am Sonntag". Im Umgang mit China als wichtigem Handelspartner müsse gelten: Kooperation ja, Abhängigkeit nein. "Sich sehenden Auges erneut von autoritären Kräften abhängig zu machen, ist das Gegenteil von Pragmatismus." Wirtschaftsstaatssekretärin Franziska Brantner, ebenfalls eine Grüne, sagte: "Wir müssen in Bezug auf China die Risiken wirtschaftlicher Abhängigkeiten minimieren. Uns geht es um ein De-Risking und nicht um ein De-Coupling. Ich kenne auch niemanden seriöses, der eine vollständige Entkopplung unserer Volkswirtschaften fordert." Eine sichere Versorgung mit Energie und Rohstoffen sowie resiliente Lieferketten seien zentral für den Wirtschaftsstandort.
Hintergrund der Aussagen ist ein Strategiepapier des Seeheimer Kreises, des konservativen Flügels der SPD. Der Kreis fordert eine pragmatische Chinapolitik. Zugleich wird in dem Papier Kritik an Außenministerin Annalena Baerbock und Wirtschaftsminister Robert Habeck (beide Grüne) geäußert. Es dürfe keine "eindimensionale deutsche Außen- und Wirtschaftspolitik" gegenüber China geben, so der Seeheimer Kreis. Die Bundesregierung erarbeitet derzeit eine neue China-Strategie. Die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Bundestagsfraktion, Irene Mihalic, sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, sie sei froh, dass die Außenministerin nicht Mut- und profillos durch die Gegend reise, "sondern klar unsere Interessen und Werte artikuliert". "Nur so funktioniert Partnerschaft auf Augenhöhe."
Brantner sagte, die deutsche Wirtschaft müsse widerstandsfähiger aufgestellt werden. "Dafür wenden wir uns der Welt zu, wir diversifizieren unsere Energieversorgung, wir bringen Handelsverträge voran und füllen Rohstoffpartnerschaften mit Leben. Es ist mir nicht verständlich, warum sich Teile der SPD von diesem gemeinsamen Kurs nun anscheinend abwenden wollen." In dem Seeheimer-Strategiepapier wird China aufgrund seiner wirtschaftlichen und politischen Macht als wichtiger Akteur und Partner bezeichnet, um weltweiten Herausforderungen wie dem Klimawandel, dem drohenden nuklearen Wettrüsten und den zahlreichen Konfliktherden zu begegnen. Zugleich habe sich China zunehmend zu einem Wettbewerber und systemischen Rivalen entwickelt.
Audretsch sagte, es gehe nun darum, Europa selbstbewusst und wirtschaftlich breit aufzustellen. "Dazu müssen wir unsere Beziehungen zu demokratischen Ländern weltweit auch wirtschaftlich vertiefen. Risiken und Abhängigkeiten von China müssen abgebaut und Kernbereiche europäischer Wirtschaft geschützt werden."
Konkret werde die Frage derzeit in Hamburg, so Audretsch. Es sei ein großer Fehler gewesen, dass Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) die vollständige Untersagung der Beteiligung des de facto chinesischen Staatskonzerns Cosco an einem dortigen Hafenterminal verhindert habe. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik hat das Terminal inzwischen als kritische Infrastruktur eingestuft. Dies müsse zu einer Neubewertung der Beteiligung führen, verlangte Audretsch. "Die Bundesregierung sollte alle Möglichkeiten nutzen, den Hafen vor chinesischer Einflussnahme zu schützen. Es geht um unsere wirtschaftliche Unabhängigkeit und geopolitische Souveränität."
Nach der Neubewertung des Hafenterminals hatte eine Sprecherin Habecks gesagt, da sich die Voraussetzungen geändert hätten, prüfe das Ministerium nun die Auswirkungen auf den Sachverhalt. Das Bundeskabinett hatte im vergangenen Oktober eine sogenannte Teiluntersagung beschlossen, die einen Anteilserwerb von Cosco an dem Terminal zulässt, aber nur unter 25 Prozent.
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