Erdogan hatte Israel wegen des Militäreinsatzes gegen die Hamas im Gazastreifen "Kriegsverbrechen" vorgeworfen. Die radikalislamische Palästinenserorganisation, die bei ihrem Großangriff auf Israel am 7. Oktober Gräueltaten überwiegend an Zivilisten verübt und etwa 1200 Menschen getötet hatte, bezeichnete er als Gruppe von "Befreiern". Die Abgeordnete Dagdelen hatte bislang die Linke im Auswärtigen Ausschuss des Bundestags vertreten. Seit ihrem Austritt aus der Linken ist sie parteilos. Sie hat sich dem Verein der ebenfalls ausgetretenen Ex-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht angeschlossen.
Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland rechnet mit weiteren scharfen Reaktionen. Trotzdem sei es besser, im Gespräch zu bleiben, sagt Gökay Sofuoglu. Er erwartet bei dem bevorstehenden Berlin-Besuch des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan scharfe Reaktionen. "Das wird ein heftiger Besuch", sagte er. "Es wird Gegenwind zu seinen Aussagen zur Hamas wie auch zu anderen Themen geben. Ich rechne mit Demonstrationen." Sofuoglu fügte hinzu: "Ich begrüße den Besuch nicht unbedingt, aber ich habe auch nichts dagegen. Angesichts der Lage in der Welt und der deutsch-türkischen Beziehungen ist es besser, im Gespräch zu bleiben."
Ähnlich äußerte sich der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Michael Roth (SPD). Erdogan füge seinem Land schweren Schaden zu, weil er mit seiner provozierenden, beleidigenden und populistischen Art der Bedeutung der Türkei als Brücke zwischen Europa und dem Nahen Osten nicht gerecht werde, sagte er dem RND. "Zuletzt hat er durch ungeheuerliche und infame Tiraden gegen Israel und seine Verteidigung des Hamas-Terrors abermals Öl ins Feuer eines brandgefährlichen Konflikts gegossen."
Der SPD-Politiker fuhr jedoch fort: "Es wäre unklug, in dieser dramatischen Lage nicht alle Kontakte zu nutzen. Der Besuch ist also richtig. Wenn wir nur mit denjenigen sprechen wollen, die uns in all ihren Interessen und Positionen genehm sind, werden wir wenig erreichen." Nur sei Nachsicht im Umgang mit autoritären Herrschern wenig erfolgversprechend, betonte Roth. "Deshalb sollte für Erdogans Besuch in Berlin gelten: wenig Lametta, viel Klartext."
Bundeskanzler Scholz empfängt am Freitag kommender Woche den türkischen Präsidenten. Geplant ist nach Angaben der Bundesregierung ein Abendessen. Zentrale Themen dürften die Eskalation in Nahost und die Zukunft des EU-Türkei-Abkommens zur Rücknahme syrischer Flüchtlinge sein.