"Wir haben nach dem Fall des Eisernen Vorhangs sehr lange von einer Friedensdividende profitiert. Wir haben also Mittel eingespart und haben sie etwa genutzt für soziale Aufgaben", sagte Lindner am Freitag nach einem Treffen mit deutschen Soldaten der Nato-Truppe in Litauen. Das bleibe "richtig und wichtig". Doch nun brauche es eine "Freiheitsinvestition", forderte er. "Denn Frieden und Freiheit, das sind Errungenschaften, die niemals garantiert sind, sondern die immer neu eine Voraussetzung haben, nämlich die Wehrhaftigkeit, die Bereitschaft also, Frieden und Freiheit zu verteidigen, wenn es erforderlich ist."
Bei seiner Reise durch die drei baltischen EU- und Nato-Partner Lettland, Estland und Litauen sprach Lindner mit seinen Amtskollegen vor allem über Finanzpolitik und die veränderte Sicherheitslage infolge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine. Mehrfach bekannte er sich zum Nato-Ziel, mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes, also der Wirtschaftsleistung, für die Verteidigung auszugeben. Für Deutschland bedeutet dies - grob gesagt - dass jedes Jahr etwa 20 Milliarden Euro zu dem gut 50 Milliarden Euro umfassenden Verteidigungshaushalt hinzukommen müssten.
Die baltischen Staaten sorgen sich schon lange wegen einer möglichen Aggression Russland auch gegen sie. Nach dem Großangriff der Hamas auf Israel hat sich zudem auch international die Sicherheitslage zugespitzt. Europäische Regierungen blicken ebenfalls schon mit Sorge auf den möglichen Ausgang der Präsidentschaftswahl in den USA in einem Jahr. Womöglich könnte sich dann die Frage stellen, wie viel militärische Verantwortung eine künftige US-Regierung noch für Verbündete übernimmt und ob die Ukraine weiter auf die volle Unterstützung gegen Russland zählen kann.
Für die Bundeswehr wird der baltische Raum in den nächsten Jahren absehbar der Schwerpunkt des Militärengagements. Seit Jahren führt Deutschland dort schon einen Nato-Gefechtsverband mit derzeit etwa 1600 Soldaten, davon etwa die Hälfte aus der Bundeswehr. Nun will die Bundesregierung dort eine gefechtsbereite Brigade - etwa 4000 Männer und Frauen - fest stationieren. Auch das ist neu: Sie sollen in dem Land auch mit ihren Familien leben können. Kasernen, Übungsplätze, aber auch Wohnhäuser und eine Schule sollen geschaffen werden.
Die deutschen Soldaten berichteten Lindner am Freitag, dass sie in Litauen viel Wertschätzung erfahren. Der Aufbau der Infrastruktur für die Brigade habe begonnen. Neu für jüngere Soldaten sind Alarmierungsübungen, wie sie auch die Bundeswehr im Kalten Krieg praktizierte: Dann klingelt nachts das Handy des Chefs und das ganze multinationale Bataillon rückt dann mit Waffen und Panzerfahrzeugen in den Verfügungsraum - bereit zur Verteidigung Litauens.
Beim Ausbau der Infrastruktur für eine schnelle Mobilität von Nato-Truppen an der Ostflanke erwartet das kleine Litauen mit seinen knapp drei Millionen Einwohnern auch Hilfe der EU. Diese Investitionen seien im gemeinsamen Interesse der Partner, sagte die litauische Finanzministerin Gintare Skaiste in Vilnius bei einem Treffen mit Lindner. Nach der Entscheidung der Bundesregierung für die Brigade habe ihr Land 280 Millionen Euro für den Aufbau der Infrastruktur im Haushalt bereitgestellt.
Lindner sagte, Deutschland übernehme Verantwortung für die Sicherheit des Nato-Partners Litauen und stationiere als erster westlicher Verbündeter Truppen permanent an der Nato-Ostflanke. "Wir wissen, dass die Sicherheit Litauens und unsere Sicherheit verbunden sind." Aus dem deutschen Etat würden dafür die militärischen Ausgaben im engeren Sinne bestritten. "Alle Ausgaben, die nicht direkt mit unseren Soldaten in Zusammenhang stehen, liegen mehr oder weniger in der Verantwortung des Gastlandes", sagte der Minister.