Während Baerbock ihre Partei, FDP-Vertreter und selbst die Opposition von der Union beim Wunsch nach einer raschen Entscheidung über die Leopard-Lieferung hinter sich wissen konnte, gab es von Scholz lange zögernde Äußerungen. Bis er vergangene Woche doch noch - wie angekündigt im Gleichschritt mit US-Präsident Joe Biden - grünes Licht für die Lieferung gab. Dass Baerbock intern schon viel länger für einen solchen Schritt warb, war lange ein offenes Geheimnis. Doch im Kanzleramt kam das latente Drängeln der 42-Jährigen nicht gut an. Kurz vor der Entscheidung hatte sie auch noch ausgeplaudert, dass man einem polnischen Exportantrag für solche Panzer nicht im Wege stehen werde.
"Diese Bellizisten", soll der Kanzler laut "Spiegel" intern geschimpft und von "Kriegsbegeisterten" gesprochen haben - wobei nicht ganz klar wird, wen Scholz gemeint hat. Die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Hoffmann lässt die Frage, ob Scholz sich tatsächlich so geäußert hat, mit einem Hinweis auf Vertraulichkeit offen. Sie selbst habe solche Worte aus seinem Mund jedenfalls nicht gehört. Die Chemie zwischen Scholz und Baerbock scheint von Anfang an nicht so richtig gestimmt zu haben. Sie die Klartexterin, er einer, der Außenpolitik lieber in Hinterzimmern als auf offener Bühne macht. Von einer völlig unterschiedlichen Art der Kommunikationsstrategie beider ist in der Bundesregierung die Rede. Gemeinsame Auftritte von Scholz und Baerbock gibt es bisher kaum. Sind Scholz und Baerbock die Rivalen der deutschen Außenpolitik?
Dabei kommt es gerade in Kriegszeiten wie diesen, in denen sich die Welt neu ordnet, eigentlich darauf an, dass zwischen den Kanzler, die Außenministerin und den Verteidigungsminister kein Blatt Papier passt. Am Dienstag vergangener Woche hatte Baerbock in einer einstündigen Fragen-und-Antworten-Runde beim Europarat in Straßburg auf Englisch mit folgenden Worten zum Zusammenhalt der westlichen Verbündeten aufgerufen: "Wir kämpfen einen Krieg gegen Russland und nicht gegeneinander." Dass solche Aussagen im Kanzleramt nicht so gut ankommen, versteht sich von selbst.
Die Baerbock-Äußerung verfolgte den Kanzler sogar nach Lateinamerika. In Buenos Aires wurde er auf einer Pressekonferenz mit dem argentinischen Präsidenten Alberto Fernández damit konfrontiert. "Das ist ein Krieg zwischen Russland und der Ukraine", stellte Scholz nochmals klar. Deutschland werde alles dafür tun, damit es nicht zu einer Eskalation komme, die zu einem Krieg zwischen Russland und Nato-Staaten führe. "Das ist für uns ausgeschlossen. Wir werden alles tun, dass es nicht passiert." Basta.
Doch auch bei anderen Themen sind unterschiedliche Meinungen zwischen dem Kanzler und seiner Außenministerin deutlich geworden. So hatte sich Scholz im Oktober im Kabinett im Streit über die Beteiligung des chinesischen Staatsunternehmens Cosco an einem Terminal des Hamburger Hafens gegen den Widerstand mehrerer Minister von SPD, Grünen und FDP durchgesetzt. Baerbock distanzierte sich sogar in einer Protokollnotiz von der Entscheidung. Vor einer anschließenden China-Reise des Kanzlers forderte sie Scholz dann auch noch auf, sich dort an den Koalitionsvertrag zu halten.
Auch bei der geplanten Nationalen Sicherheitsstrategie, die unter Federführung von Baerbocks Auswärtigem Amt erarbeitet wird, hakt es. Ein Treffen des Kanzlers mit Baerbock und anderen Ministerinnen und Ministern brachte vergangenen Donnerstag keine Einigung. Die förmliche Ressortabstimmung mit allen Ministerien hat nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur noch nicht begonnen. Und auch bei der Idee eines neuen "Nationalen Sicherheitsrates" gibt es demnach noch keine Einigung. Dass die Strategie wie geplant Mitte Februar zur Münchner Sicherheitskonferenz vorgestellt werde, sei unwahrscheinlich.
Wer die Außenpolitik der Bundesregierung bestimme, das Kanzleramt oder das Außenministerium, wird Vize-Regierungssprecherin Hoffmann an diesem Tag noch gefragt. Der Kanzler arbeite mit allen seinen Ministerinnen und Ministern eng und vertrauensvoll zusammen, sagt sie, ohne den Hinweis auf die Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers zu vergessen. Auf Nachfrage schiebt sie noch hinterher: "Soll ich jetzt von Liebe sprechen? Nein."
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