"War in den letzten Jahren der Kampf gegen extremistische Bestrebungen, deren Erkennung und Verhinderung bestimmendes Thema insbesondere der Nachrichtendienste, so rücken mit der russischen Offensive und den damit verbundenen Folgen die Themen Spionage- und Cyberabwehr deutlich in den Vordergrund", stellt MAD-Präsidentin Martina Rosenberg in dem Bericht fest, der auch die Jahre 2021 und 2022 umfasst. Das Interesse ausländischer Dienste an Tätigkeiten, Absichten und Maßnahmen der Bundeswehr habe sich "erheblich verstärkt".
Russland strebe nach einem starken Staat und einem Informationsvorsprung gegenüber dem Westen und der Nato. "Die hohe Anzahl hier eingesetzter russischer Nachrichtendienstmitarbeiter bestätigte die herausgehobene Wertigkeit Deutschlands", so der MAD. Dass die Bundesregierung im vergangenen Jahr 40 russische Diplomaten zu "unerwünschten Personen" im erklärt habe, stelle zunächst eine besondere Herausforderung für die russischen Dienste dar. "Die vormals gut funktionierenden und eingespielten Spionageaktivitäten, welche durch die in Deutschland akkreditierten russischen Diplomaten bestand, ist durch die Ausweisung zwar geschwächt worden, eine nachhaltige Beeinträchtigung werden russische Nachrichtendienste jedoch nahezu sicher durch andere Methoden der Informationsbeschaffung auszugleichen versuchen."
Die Absicht und die Fähigkeiten, kritische Infrastrukturen von Nato-Staaten aufzuklären und gegebenenfalls zu sabotieren, sei "eine ernstzunehmende Bedrohung". Zusätzlich konnten in den Jahren 2021 und 2022 "hybride Maßnahmen zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung erkannt werden", heißt es in dem Bericht. Dabei sei nicht nur die öffentliche Meinung in Deutschland, sondern auch die Bevölkerung in den Einsatzländern der Bundeswehr - etwa in den baltischen Staaten - Ziel russischer Einflussmaßnahmen.
Der MAD nennt auch Desinformationskampagnen und nachrichtendienstlich gesteuerte Einflussoperationen gegen die an der Nato-Ostflanke eingesetzten deutschen Kontingente. "Seit dem Beginn des völkerrechtswidrigen russischen Angriffskrieges am 24. Februar 2022 erhöhte sich die Anzahl der gezielt gestreuten Falschinformationen", stellt der MAD fest. Diese sollten das Vertrauen der Bevölkerung in die Nato-Kontingente nachhaltig schädigen und negativ beeinflussen.
China wolle sich bis zum Jahr 2049 einen Platz als Weltmacht sichern und verfolge dazu strategische Planungen wie "Made in China 2025" und die "Neue Seidenstraßen Initiative". Zur Erreichung dieses Ziels werde "auf Maßnahmen der Cyberspionage, hybride Maßnahmen sowie auf klassische Spionageoperationen zurückgegriffen", warnt der MAD.
Für die chinesischen Nachrichtendienste seien dabei gemeinsame Vorhaben mit der Bundeswehr von besonderer Bedeutung: militärische Ausbildungshilfe, gemeinsame Übungsvorhaben und Delegationsbesuche. "Im Rahmen dieser Ausbildungshilfe, die zum Teil mehrere Monate lang dauert, nutzen chinesische Teilnehmer den Zugang zu Dienststellen und Personal der Bundeswehr intensiv zur Informationsbeschaffung", warnen die Abwehrexperten.
Der MAD ist mit dem Schutz der Streitkräfte vor Spionage, der Abwehr von Extremisten in der Bundeswehr und Sicherheitsüberprüfungen von Soldaten und Zivilbeschäftigten beauftragt. Die Zahl der Fälle von Extremismusverdacht hatte das Verteidigungsministerium bereits veröffentlicht. Es gab einen deutlichen Rückgang, den größten Anteil hatte weiter Rechtsextremismus. Der MAD hat in den Jahren 2021 und 2022 sieben Personen aus dem militärischen Bereich als Rechtsextremisten eingestuft ("Kategorie rot"). Zudem wurden im vergangenen Jahr bei 24 Verdächtigen (2021: 22) Erkenntnisse festgestellt, die den Verdacht der fehlenden Verfassungstreue begründen ("Kategorie gelb").
Für seine Aufgaben hat der MAD zusätzliches Personal bekommen. Seit dem 1. Januar 2023 verfügt der MAD laut Bericht über 1917 Dienstposten (2022: 1824 Dienstposten; 2021: 1632 Dienstposten). Als "nicht zielführend" habe sich die frühere Zusammenlegung der Inlandsaufgaben Spionage- und Extremismusabwehr in einer Abteilung erwiesen, heißt es in dem Bericht. Logische Folge sei, dass die Trennung in zwei eigenständige Abteilungen wieder erforderlich wurde.
Der MAD stellt nun fest, mit Blick auf den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine sei "die Stärkung der Spionageabwehr und Bekämpfung von Spionage und möglicher Sabotage dringlicher als je zuvor".
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