Menschen, die in Deutschland Asyl beantragt haben, sollen schneller und effektiver abgeschoben werden. Das neue "Rückführungsverbesserungsgesetz" sieht dafür vor, die Höchstdauer des sogenannten Ausreisegewahrsams von derzeit zehn auf 28 Tage zu verlängern. Damit sollen die Behörden entlastet werden. Sie erhalten dadurch mehr Zeit, eine Abschiebung vorzubereiten. Außerdem soll die Polizei neue Zugriffsrechte bei der Feststellung der Identität von Geflüchteten bekommen. Sie sollen nicht mehr allein Wohnräume der Betroffenen durchsuchen dürfen, sondern auch Nachbarwohnungen in Gemeinschaftsunterkünften betreten können, falls sie einen Abschiebekandidaten dort vermuten. Bisher war das nicht erlaubt. Zudem sollen Polizisten etwa Handys checken dürfen, um die Identität einer Person festzustellen.
Wer gegen Einreise- und Aufenthaltsverbote verstoßen hat, zum Beispiel weil er schon mal ausgewiesen wurde, kann nach Faesers Entwurf in Abschiebehaft kommen. Auch sollen Abschiebungen in der Nacht erleichtert und nicht mehr mit einmonatiger Frist angekündigt werden, wenn eine Duldung widerrufen wurde. Geflüchtete, die in Gemeinschaftsunterkünften leben, sollen weniger Geld bekommen – mit der Begründung, dass sie dort auch weniger Geld benötigen. Außerdem werde der Bund die Länder bei Abschiebungen künftig stärker unterstützen. Bei Schleusern, die zu mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe verurteilt wurden, soll die Ausweisung erleichtert werden. Auch die Schleusung von Kindern soll strafbar werden.
Mit diesen Vorschlägen will Faeser den Vollzug von Abschiebungen zumindest auf deutscher Seite erleichtern. Gesetzesverschärfungen in der Vergangenheit haben nach Zahlen des Mediendienstes Integration bisher allerdings nicht erkennbar zu steigenden Abschiebezahlen geführt. Zunächst waren Ideen wie die Verlängerung des Abschiebegewahrsams von zehn auf 28 Tage lediglich in einem Diskussionspapier enthalten, das die Ministerin im Sommer verbreiten ließ. Doch dann wurde daraus mit Billigung von Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) und Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) ein Gesetzentwurf, den Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) in der vorletzten Woche präsentierte.
Schon in ihrem Koalitionsvertrag haben SPD, Grüne und FDP angekündigt: "Wir starten eine Rückführungsoffensive, um Ausreisen konsequenter umzusetzen, insbesondere die Abschiebung von Straftätern und Gefährdern." Nach Angaben des Bundesinnenministeriums scheitern zwei von drei Rückführungen in Deutschland. Oft, weil die Betreffenden nicht mehr aufzufinden sind. Aber auch eine ungeklärte Identität oder die Weigerung des Herkunftsstaates, Staatsangehörige zurückzunehmen, stehen einer Abschiebung entgegen. Viele der Asylbewerberinnen und -bewerber legen bei der Einreise keine gültigen Personaldokumente vor.
Die Zahl der Schutzsuchenden lag laut dem Statistischen Bundesamt Ende vergangenen Jahres bei 3,08 Millionen. Die meisten von ihnen, etwa 80 Prozent, können nicht zurückgeschickt werden, weil sie aus Staaten stammen, in denen sie verfolgt werden oder in denen Krieg herrscht. Menschen aus Ländern wie Syrien, der Ukraine, Afghanistan, Iran, Somalia oder Eritrea haben deswegen sehr gute Chancen, in Deutschland bleiben zu dürfen. Das ist durch die Genfer Flüchtlingskonvention geregelt.
Die nächste Gruppe sind abgelehnte und vollziehbar ausreisepflichtige Asylbewerber. Sie müssten das Land eigentlich verlassen. Laut Bundesinnenministerium betraf das bis Ende September rund 255.000 Menschen. Die allermeisten von ihnen werden aber geduldet. Dafür kann es familiäre, humanitäre oder gesundheitliche Gründe geben. Etwa weil sie krank sind, das Herkunftsland ihre Rückkehr verhindert oder die Kinder kurz vorm Schulabschluss stehen. Die Gruppe derer, die wegen des neuen Gesetztes tatsächlich das Land verlassen werden, dürfte also relativ klein sein.
Olaf Scholz warb bereits mit einem Brief an Oppositionschef Friedrich Merz um Unterstützung der Union beim Gesetzgebungsverfahren. Zuvor hatte Scholz in einem "Spiegel"-Interview einen deutlich entschlosseneren Kurs in der Migrationspolitik angekündigt und gesagt: "Wir müssen endlich im großen Stil diejenigen abschieben, die kein Recht haben, in Deutschland zu bleiben." Für diese Aussage wurde Scholz teilweise heftig kritisiert. "Scholz verspricht etwas, das absehbar nicht gehalten werden wird", sagte etwa Grünen-Politiker Jürgen Trittin dem "Tagesspiegel". Die Forderung habe daher nur "eine symbolische Wirkung".
Auch das Gesetzesvorhaben selbst steht in der Kritik. Pro Asyl und der Jesuiten-Flüchtlingsdienst halten das Vorhaben für inhuman. Der Leiter der Europaabteilung der Flüchtlingsschutzorganisation Pro Asyl, Karl Kopp, kritisierte das Tempo und den Inhalt des Gesetzes. Die Verbände hätten nur 48 Stunden Zeit für eine Stellungnahme gehabt. "Das ist bei so einem komplexen Gesetz ein Unding." Auch inhaltlich stehe er dem Gesetz kritisch gegenüber. Er befürchte "eine Brutalisierung der Abschiebungen", erklärte Kopp. "Und eine Entlastung der Kommunen wird es nicht geben. Diese Form von Aktionismus bedient eher einen ressentimentgeladenen Diskurs."
Bis Ende September gingen beim Bundesamt für Asyl und Flüchtlinge knapp 234.000 Erstanträge auf Asyl ein. Das sind deutlich mehr als im Vergleichszeitraum des Vorjahres (rund 135.000). Mehr als jeder zweite Antragsteller (52 Prozent) erhielt in diesem Jahr einen Schutzstatus in Deutschland. Hauptherkunftsländer der Antragsteller waren Syrien, Afghanistan und die Türkei. In diesem Zeitraum hat es in diesem Jahr laut Innenministerium rund 12.000 Abschiebungen gegeben. Im Vergleichszeitraum des Vorjahres waren es 9600, im Gesamtjahr 2022 knapp 13.000. Zwischen 2015 und 2020 hatte es jährlich jeweils mehr als 20.000 Abschiebungen gegeben.
Zusätzlich zu den Abschiebungen gab es den Angaben zufolge bis Ende September mindestens 7700 freiwillige Ausreisen. Deren Zahl kann durch nicht zentral erfasste Programme der Länder auch höher sein, wie das Bundesinnenministerium mitteilte. Nicht alle Ausreisepflichtigen sind abgelehnte Asylbewerber. Jemand kann zum Beispiel auch ausreisepflichtig werden, weil sein Visum oder die Duldung abläuft. Wenn die Duldung abläuft oder widerrufen wird, können Menschen in der Regel sofort und ohne weitere Abschiebungsandrohung abgeschoben werden. Wenn eine Person bereits länger als ein Jahr geduldet war, musste bisher eine Abschiebung mindestens einen Monat vorher angekündigt werden. Diese Frist soll nun entfallen.
Zuständig für die Abschiebung sind die einzelnen Bundesländer beziehungsweise die jeweilige Ausländerbehörde. Vor der Abschiebung muss die Ausländerbehörde prüfen, ob die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen oder einer Duldung möglich ist. Ist das nicht der Fall, kann eine Person oder eine ganze Familie abgeschoben werden. Die betroffene Person muss dann von der Behörde schriftlich über die Entscheidung informiert werden. Die Abschiebungen wird von der Polizei durchgeführt, die die Person oder Familie zu Hause abholt. Abschiebungen können als sogenannte "kontrollierte Ausreise" erfolgen oder als "begleitete Maßnahme".
Bei der kontrollierten Ausreise werden ausreisepflichtige Personen von der Polizei beispielsweise lediglich zum nächsten Bahnhof gebracht. Die Ausreise erfolgt dann durch die Person selbstständig. Bei der begleiteten Abschiebung reisen Polizistinnen und Polizisten bis in das Land mit, in das die Person abgeschoben werden soll.
Der Großteil der Abschiebungen findet mit dem Flugzeug statt. Meistens wird die betroffene Person dabei fixiert. Ihr werden also Handschellen oder auch Fußfesseln angelegt. Es kann auch vorkommen, dass ihr dabei Medikamente verabreicht werden, um sie ruhig zu stellen. Abschiebungen können entweder mit einzelnen Personen oder als Sammelabschiebung durchgeführt werden. Die Abschiebung kann entweder in den Staat erfolgen, dessen Staatsangehörigkeit die Person besitzt, oder in ein anderes Land, welches die Einreise der Person erlaubt.
Bei einer "Dublin-Überstellung" handelt es sich um eine Abschiebung in ein anderes europäisches Land. Die Dublin-Verordnung legt fest, welcher Staat für die Prüfung des Asylantrags zuständig ist. Häufig ist dies das Land, in welchem die Person erstmals europäischen Boden betreten hat. Bei einer Ausweisung handelt es sich um eine behördliche Entscheidung und nicht, wie bei der Abschiebung, um eine Maßnahme. Sie wird oft getroffen, wenn eine Person eine Straftat begangen hat. Dadurch wird die Ausreisepflicht der betroffenen Person herbeigeführt und gleichzeitig ein zeitweises Einreise- und Aufenthaltsverbot ausgesprochen. Auf eine Ausweisung kann auch eine Abschiebung folgen.
Der Staat hat grundsätzlich die Möglichkeit, straffällig gewordene Ausländer abzuschieben. Dabei gibt es zunächst einmal keine Unterscheidung zwischen Asylbewerbern, schon länger hier lebenden Migrantinnen und anderen Ausländern. Im Falle einer Abschiebung muss eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung bestehen. Ob dieser Grund vorliegt, muss in jedem Einzelfall geprüft werden. Der Staat muss also entscheiden, ob das öffentliche Interesse an der Ausweisung oder das Interesse des Ausländers zu bleiben überwiegt.
Ein "besonders schweres Ausweisungsinteresse" liegt häufig vor, wenn ein Ausländer wegen Straftaten zu einer Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt wurde, gegen einen Ausländer die Sicherungsverwahrung angeordnet wurde oder die freiheitliche demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland gefährdet ist. Auch nach bestimmten Straftaten, wie Körperverletzungen oder Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, kann eine Abschiebung folgen. Allerdings wird vorausgesetzt, dass die Straftat mit Gewalt oder unter Anwendung von Drohung begangen wurde und der Straftäter zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt wurde. Jedoch kommt es seit 2016 nicht mehr drauf an, ob die Strafen zur Bewährung ausgesetzt wurden oder nicht.
Laut dem neuen Gesetzentwurf können Personen in Abschiebehaft kommen, die gegen Einreise- und Aufenthaltsverbote verstoßen haben, zum Beispiel weil sie schon mal ausgewiesen wurden. Die Abschiebehaft soll sicherstellen, dass die Ausreisepflicht tatsächlich durchgesetzt wird. Es handelt sich dabei nicht um Haft zum Zwecke der Bestrafung. Deswegen dürfen Abschiebehäftlinge auch nicht im selben Gefängnis wie Straftäter untergebracht sein. Die maximale Dauer, die eine Person in Abschiebehaft verbringen darf, liegt bei 18 Monaten.
Eine Unterart der Abschiebehaft ist der Ausreisegewahrsam bzw. Abschiebegewahrsam. Dieser kann leichter angeordnet werden und ermöglichte bisher die Inhaftierung für bis zu zehn Tage. Nach dem neuen Gesetzentwurf soll die maximale Dauer der Abschiebegewahrsam auf 28 erhöht werden. Sie dient insbesondere dafür, Sammelabschiebungen besser durchzuführen zu können.
Die meisten Menschen wurden zuletzt nach Österreich abgeschoben, gefolgt von Georgien und Nordmazedonien. Bei den Abschiebungen nach Österreich dürfte es um Menschen gehen, die wegen eines vorherigen Aufenthalts dort ihr Asylverfahren durchlaufen müssen. Die meisten Abgeschobenen waren im ersten Halbjahr Staatsangehörige Georgiens, gefolgt von Nordmazedonien und Afghanistan.
In Paragraf 66 des Aufenthaltsgesetzes heißt es: "Kosten, die durch die Durchsetzung einer räumlichen Beschränkung, die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung entstehen, hat der Ausländer zu tragen." Die jeweiligen Bundesländer, die die Kosten für die Abschiebung abwickeln, müssten der abgeschobenen Person somit ihre Abschiebung in Rechnung stellen. In der Realität sieht das jedoch oftmals anders aus.
Abschiebungen sind nämlich teuer, nicht zuletzt wegen des enormen Personalaufwands. Pro Abschiebung kann ein mittlerer vierstelliger Betrag zusammenkommen. Den abgeschobenen Personen diese Beträge in Rechnung zu stellen ist nicht immer aussichtsreich. Deswegen werden regelmäßig auch Steuergelder zur Kostenbegleichung verwendet. Auch die EU-Grenzschutzorganisation Frontex übernimmt teilweise entstehende Kosten.