Über ein Jahrzehnt lang sei die internationale Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands vernachlässigt worden, heißt es darin. Große Herausforderungen wie Digitalisierung, Dekarbonisierung, Demografie und der Systemwettbewerb zwischen Demokratien und Autokratien seien nicht genug angegangen worden. "Aus "Fahren auf Sicht" wurde wirtschaftspolitisch im Ergebnis dann "Fahren auf Verschleiß"." Um dies zu korrigieren, fordern die Freien Demokraten unter anderem eine Senkung der Stromsteuer um 2 Cent je Kilowattstunde auf den EU-Mindestsatz von 0,05 Cent. "Perspektivisch setzen wir uns für eine vollständige Abschaffung der Stromsteuer ein", heißt es in ihrem Strategiepapier. Einen staatlich subventionierten Energiestrompreis, wie ihn die Grünen und SPD verlangen, lehnt die FDP weiter ab.
Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge hielt dem entgegen, dass es die energieintensiven Branchen wie die Chemie- oder Metallindustrie seien, die unter besonderem Wettbewerbsdruck stünden. "Eine Absenkung der Stromsteuer würde genau diese Branchen nicht entlasten, da ein Großteil der Unternehmen ohnehin hiervon befreit ist", sagte Dröge. Es brauche zielgenaue Lösungen. "Ein Brückenstrompreis für energieintensiven Unternehmen sichert hunderttausende Arbeitsplätze bei den vielen mittelständischen und großen Unternehmen der energieintensiven Industrie."
Nicht schmecken kann den Grünen auch, dass die FDP die Option auf eine weitere Nutzung der Atomenergie offenhalten will. "Wir brauchen grundlastfähige Kraftwerke und wollen deshalb den Rückbau der noch einsatzfähigen Kernkraftwerke stoppen. Nur so bleiben wir in jeder Situation handlungsfähig", heißt es in ihrem Beschluss. Darin wird auch für den "Einstieg in moderne, besonders abfall- und risikoarme Kernspaltungstechnologien" plädiert. Es gebe natürlich für neue Kernkraftwerke keine Mehrheiten, sagte Fraktionschef Dürr. "Aber gerade jetzt in einer solchen Phase, wo wir angespannte Strompreise haben, mit dem Rückbau zu beginnen, das wäre sicherlich falsch."
Hier beißt die FDP allerdings auch bei Kanzler Olaf Scholz (SPD) auf Granit: "Das Thema Kernenergie ist aus Sicht des Bundeskanzlers erledigt", machte der stellvertretende Regierungssprecher Wolfgang Büchner in Berlin deutlich. Ein Sprecher des Umweltministeriums erklärte, dass mit den Rückbauarbeiten laut Gesetz unverzüglich begonnen werden müsse. "Das hat Gründe der nuklearen Sicherheit, dient auch dem Strahlenschutz."
Das FDP-Strategiepapier enthält auch viele bekannte Positionen wie steuerliche Entlastungen für die Wirtschaft, Bürokratie- und Subventionsabbau, Technologieoffenheit in der Klimapolitik, Einführung einer Aktienrente und flexiblere Arbeitszeiten. Abgelehnt wird dagegen ein Ausbau von Sozialleistungen - hier fordert das Strategiepapier einen "Ausweitungs-Stopp".
Die nach etlichen Wahlniederlagen unter Druck stehende FDP könnte dafür sorgen, dass der Umgang miteinander in der Ampel in der nun beginnenden zweiten Hälfte der Wahlperiode kaum harmonischer wird als in der ersten. Wobei SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert am Freitag im ARD-"Morgenmagazin" anmerkte, mit vermeintlicher Harmonie bei Streitthemen könne man nichts herausholen. "Wir müssen um den richtigen Weg streiten. Und es muss auch mal dabei knirschen, wenn es für die richtige Sache ist."
Knirschen und mehr als das, dürfte es schon in der kommenden Woche, dann aber zwischen Regierung und Opposition. Der Bundestag kommt nach der Sommerpause wieder zusammen - traditionell zur ersten Lesung des nächsten Bundeshaushalts. Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU) wird es sich nicht nehmen lassen, die Generaldebatte über die Politik der Bundesregierung am Mittwoch zur Generalabrechnung zu machen.
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